Im Namen des Kreuzes
beschrieb den Mann, der noch auf sie eingetreten hatte, als sie schon am Boden lag.
»Dann tragen Sie nicht aus religiösen Gründen Kopftuch?«
»Haben Sie das gedacht?« Ihr Lachen klang bemüht, sie hatte immer noch Kopfschmerzen.
»Und?«, sagte Schwarz, »kennst du so einen Typen, gehört er zur Szene?«
Heiner hob unsicher die Schultern. »Ramponierte Nasen sind bei meiner Kundschaft keine Seltenheit. Die Jungs verprügeln sich im Suff auch gern mal gegenseitig.«
»Eva glaubt, dass sie den Kerl schon mal gesehen hat – als von Medingens Bodyguard.«
Heiner horchte auf. »Und wo?«
»Bei der Demo«, sagte Eva.
Heiner fuhr seinen PC hoch. »Dann schauen wir mal.«
Sie warteten gespannt. Heiner klickte einen Ordner an. Die Qualität der Fotos war nicht besonders gut, meistens waren irgendwelche Köpfe und Transparente im Bild.
»Wie gefällt euch das hier?«
Das Foto war direkt an den Absperrgittern vor der Villa der Burschenschaft Manzonia aufgenommen. Zwischen dem Fotografen und Jörg von Medingen lagen nur wenige Meter. Es war genau der Moment, in dem der Politiker mit seiner hämischen Rede gegen die Demonstranten begonnen hatte.
»Das ist er«, sagte Eva und deutete auf den Mann, der sich neben von Medingen aufbaute.
Schwarz schaute fragend zu Heiner.
»Interessant«, sagte der, »sehr interessant sogar. Das sind die einzigen Aufnahmen, die ich von diesem Herrn habe. Er ist uns weder vorher noch nachher bei irgendwelchen rechten Aktivitäten aufgefallen.«
»Dann kann er aber nicht von Medingens Bodyguard sein«, sagte Schwarz.
Heiner nickte. »Er gehört mit Sicherheit nicht zum engeren Kreis, vielleicht bloß ein Sympathisant. Wenn meine Informationen stimmen, war er an diesem Tag zum ersten Mal bei der Manzonia zu Gast. Vermutlich ist er von Medingen aufgefallen, und der wollte Eindruck mit ihm machen. Fies genug sieht er ja aus.«
»Er sieht nicht nur so aus«, sagte Schwarz.
»Kennen Sie seinen Namen?«, sagte Eva.
»Ja, wir haben ihn recherchiert. Er heißt Ralf Pager und ist ein Kollege von Toni.«
»Von mir? Ein Privatermittler?«
Heiner lachte, weil Schwarz so empört reagierte. »Nein, er hat nur eine Weile bei einem Sicherheitsdienst gearbeitet und ist dann – jetzt haltet euch fest – vor zwei Jahren in einen katholischen Orden eingetreten.«
»Ich soll von einem Mönch zusammengeschlagen worden sein?«, sagte Eva.
»Er ist Laienbruder.«
»Und der Orden heißt Militia «, sagte Schwarz tonlos.
Heiner sah ihn verblüfft an. »Stimmt.«
»Was ist das für ein Orden?«, sagte Eva.
»Ich glaube, ich mache uns jetzt doch Kaffee.«
Aber weder Schwarz noch Eva wollten darauf warten, bis die vorsintflutliche Kaffeemaschine auf Betriebstemperatur war.
»Orden sind ja nicht gerade meine Kernkompetenz«, sagte Heiner, während er in einem Regal nach Unterlagen suchte. »Und wahrscheinlich wäre ich ohne diesen Pager nie auf die Sancta Militia Jesu gestoßen. Aber was ich da entdeckt habe, ist einfach unglaublich.«
Er reichte Schwarz zwei schmale Ordner. »Im ersten findest du das Dossier eines Paters, der bald nach seinem Austritt aus dem Orden ums Leben gekommen ist – angeblich bei einem Verkehrsunfall. Im zweiten habe ich Zeitungsartikel über die Militia und Infos aus dem Internet zusammengestellt.«
»Woher hast du das Dossier?«
»Ach, von Freunden aus Rom.«
Schwarz hakte nicht nach – offenbar wollte Heiner seine Informanten nicht preisgeben. Er blätterte kurz in dem Text und gab ihn seinem Freund zurück. »Ich kann kein Italienisch.«
»Ich auch nicht. Aber ich hab’s mir übersetzen lassen.«
»Also, was steht in dem Dossier?«, sagte Eva ungeduldig.
Heiner holte Atem. »Die Sancta Militia Jesu wurde vor zwanzig Jahren von einem kolumbianischen Drogenbaron gegründet, den wegen seines sündigen Lebens die große Reue gepackt hatte. Er stiftete sein Vermögen und ließ sich zum Priester weihen. Von seinen Millionen hat die Militia Klöster und Schulen gekauft, in denen sie sich vor allem um schwer erziehbare und drogenabhängige Jugendliche kümmerte – zuerst in Kolumbien, dann auch in den USA und Italien.«
»Ist das öffentlich bekannt?«, sagte Eva.
»Ja, natürlich, da wurde die ganz große PR-Maschine angeworfen. Bei uns allerdings gab es nur kritische Reaktionen. Der Orden ist nämlich, obwohl Laien in der Hierarchie eine wichtige Rolle spielen, extrem konservativ. Die Militia sieht sich in einem endzeitlichen Kampf gegen die Dämonen
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