Im Namen des Kreuzes
des Liberalismus und der Demokratie, mit denen ihrer Ansicht nach der Teufel die Herrschaft über die Welt erringen will.«
»Und was für ein Gesellschaftssystem wollen die?«, sagte Eva.
»Eines, das allein auf christlichen Werten gründet – als Vorbereitung auf das nahe Gottesreich. Das könnt ihr übrigens alles auf der Website lesen.«
»Wie viele Mitglieder hat der Orden?«
»Man schätzt, dass es inzwischen weltweit an die hunderttausend Leute sind.«
»Bitte?« Eva sah ihn ungläubig an. »Und in Deutschland?«
»Da versucht die Militia gerade erst Fuß zu fassen. Inwieweit es ihr schon gelungen ist, weiß ich nicht.«
Aber ich, dachte Schwarz. Doch er wollte lieber hören, was weiter in dem Dossier stand.
»Der Verfasser behauptet«, sagte Heiner, »dass die Militia eine hochgradig kriminelle Organisation ist. Der Gründer sei nach wie vor im Drogengeschäft aktiv, und die Klöster dienten in Wirklichkeit dazu, den Handel zu kontrollieren und am Laufen zu halten. Die betreuten Jugendlichen würden gezielt als Kuriere oder für paramilitärische Gruppen rekrutiert. In Kolumbien und einigen anderen südamerikanischen Staaten arbeite die Militia eng mit korrupten Provinzgouverneuren zusammen. In Europa verfolge der Orden vorerst nur weltanschauliche Ziele und versuche zum Beispiel durch die Wiedereinführung der lateinischen Messe Anhänger und Sponsoren in ultrakonservativen Kreisen zu gewinnen.«
Er legte das Dossier zur Seite. »Aber jetzt musst du mir sagen, wie du auf die Militia kommst, Toni.«
Schwarz zog die Schultern hoch.
»Los, raus mit der Sprache!«
»Also gut. Es könnte sein, dass Pfarrer Heimeran …«
»Das ist der Priester, der unter der Würmbrücke hing«, fügte Eva hinzu.
»… dass er sterben musste, weil er an Informationen über den Orden gelangt war.«
»Ich dachte, der hat sich umgebracht?«
»Das ist die offizielle Version.«
»Und was sind das für Informationen?«
»Keine Ahnung.«
»Und was hat das Ganze mit Ralf Pager zu tun?«
»Er ist am Tatort gesehen worden.«
Heiner war baff. »Wollt ihr nicht doch einen Kaffee?«
Schwarz schaute auf die Uhr. »Nein, wir müssen los. Ich schau nur noch kurz in den zweiten Ordner.«
»Ich kann dir eine Kopie machen.«
Plötzlich stutzte Schwarz. »Das gibt’s doch nicht – Perfall?« Er deutete auf ein Foto.
»Nein«, sagte Heiner, »der Mann heißt Tramin, Hubert Tramin. Er stammt aus Innsbruck und war dort jahrelang in der FPÖ aktiv. Dann hat er offenbar ähnlich wie Pager seine Spiritualität entdeckt und mischt seither bei der Militia mit.
Schwarz kniff die Augen zusammen und ging näher an das Bild heran, das offenbar heimlich mit einem Handy aufgenommen war. »Das ist eindeutig Perfall, ein ehemaliger LKA-Mann.«
Heiner lachte. »LKA, ausgerechnet.«
»Mit ihm habe ich gleich einen Termin im Ordinariat.«
»Im Ordinariat? Bitte?«
»Er arbeitet in der Heimeran-Sache als Sonderermittler für die Kirche.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Heiner.
44.
Eva bot Schwarz an, ihn zum Gespräch mit Perfall zu fahren, aber er fand, sie solle sich lieber noch schonen. Mit einer Gehirnerschütterung war nicht zu spaßen. Doch Eva erklärte, für sie wäre es viel belastender, zu Hause zu sitzen und Däumchen zu drehen.
Also fuhren sie in die August-Exter-Straße und tauschten seinen Golf gegen ihren deutlich geräumigeren und behindertengerecht umgebauten Wagen. Frau Hahn, die aus Sorge Evas halbe Mailbox voll gesprochen hatte, war gerade beim Einkaufen. Ihre Tochter hinterließ ihr eine Nachricht: Es geht mir prima, und Anton kümmert sich wie ein Vater um mich .
»Kannst du nicht was anderes schreiben?«
Eva schmunzelte.
»Na, statt Vater …«
Eva lachte, strich das Wort durch und schrieb Mutter .
An der Kreuzung Offenbach-, Landsberger Straße bat Schwarz Eva plötzlich, vor seinem Haus anzuhalten. Er hatte erst das cappuccinofarbene Mini Cabrio und dann seine Tochter entdeckt, die wie ein Häufchen Elend auf den Stufen vor der Tür saß.
»Luisa, was machst du denn hier?«
Sie hob den Kopf. Ihre Wimperntusche war vom Weinen ganz verschmiert. Schwarz zog sie auf die Beine. »Was ist denn los?«
Sie schniefte. »Es tut mir so leid.«
Er nahm sie bei den Schultern und sah ihr in die Augen. Irgendetwas stimmte doch nicht mit ihr.
»Hast du gekifft?«
»Ich kiffe nicht mehr.«
»Getrunken?«
Sie presste die Lippen zusammen, ihr Gesicht verkrampfte sich.
»Papa, ich bin schwanger.« Sie
Weitere Kostenlose Bücher