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Im Namen des Kreuzes

Im Namen des Kreuzes

Titel: Im Namen des Kreuzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Probst
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nicht‹ zu sagen.
    Hundertmal habe ich ihm gesagt, dass ich nicht will, aber er hat es nicht hören wollen. Einfach ignoriert hat er es.
    Aber wahrscheinlich ist dieses ›Ich kann nicht‹ nur deine Art, dich herauszumogeln und nicht zu stellen. Du beschimpfst dich selbst und erniedrigst dich ständig, weil du eine panische Angst davor hast, endlich Konturen zu gewinnen, endlich der zu werden, der du eigentlich bist.
    »Und wer ich bin, wolltest du bestimmen, du Arschloch«, sagte Schwarz. Er hatte einen ganz trockenen Mund bekommen, öffnete schnell ein Dunkles und trank es in einem Zug bis zur Hälfte aus. Dann kehrte er wieder zu den Briefen zurück. Er las im Stehen weiter, sprang hektisch von Passage zu Passage, blieb irgendwo hängen.
    Es ist deine Schuld, Anton, dass ich süchtig nach dir bin, nach deiner Stimme, deinen kräftigen Händen, deinem frechen Lachen. Du hast mich verzaubert, mich versklavt. Du spielst geschickt die Tastatur aus Entgegenkommen und plötzlichem Entzug. Mit deiner Passivität stimulierst du mich nur zu einem immer wütenderen Werben.
    Es hatte nichts mit mir zu tun, dachte Schwarz, nicht das Geringste. Ich war seine Erfindung. Ich habe immer gesagt, er soll seine Geschenke behalten, die wertvollen Bücher, die Erstausgaben mit den Widmungen bekannter Schriftsteller, denen er angeblich alles über uns erzählt hatte.
    Und vor allem wollte ich nicht, dass er mich anfasst.
     
    Der nächste Brief.
    Du bist so feige. Eigentlich weißt du, dass du alles liegen und stehen lassen müsstest, aber du tust es nicht. Der Text, den du mir gestern ins Fach gelegt hast, war leider schlecht, sehr schlecht sogar. Der Text eines undeutlichen Menschen. Große Kunstanstrengung, alberne Pose und unendlich brav. Tut mir leid, Anton. Aber wer sich nicht entscheiden kann, den bestraft die Literatur.
    Schwarz warf auch diesen Brief wütend weg.
    Dann konnte er nicht mehr weiterlesen. Wer hatte ihn denn gezwungen, Robert seine Texte zu zeigen? Niemand. Er hätte auch nicht mit ihm an den Isarstrand gehen müssen, wo Robert ihm vor aller Augen einen Kuss auf die Lippen gedrückt hatte. Er hätte es nicht zulassen müssen, dass Robert ihm, als sie nebeneinander vor seiner Mutter standen, heimlich die Hand in die Hosentasche schob.
    Er hätte Nein sagen können, er hätte Nein schreien müssen.
    Aber er hatte es nicht getan und alles ertragen für den großen, naiven Traum, Schriftsteller zu werden. Er war bereit, jeden Preis für den Eintritt in die Welt der Literatur zu zahlen. Er war bestechlich gewesen … er hatte sich prostituiert.
    »Nein«, entfuhr es Schwarz. »Das ist doch alles nicht wahr!«
    Und es war tatsächlich nicht wahr, weil Robert ihm neben allem anderen auch das eingeredet hatte.
    In dieser Zeit war die Sehnsucht des jungen Anton, mit irgendetwas aufzufallen und einen kleinen Schritt aus der Mittelmäßigkeit herauszutreten, unendlich groß gewesen – aber größer noch die Sehnsucht nach einem Vater, den er nie gehabt hatte.
    Nur deswegen hatte Robert so leichtes Spiel gehabt.
    Und am Ende bin ich nicht Schriftsteller geworden, nicht mal ein mittelmäßiger, sondern Polizist und habe überhaupt nichts mehr geschrieben außer meine Einsatzberichte, dachte Schwarz und musste lachen. So lachen, dass er sich am Bier verschluckte.
     
    Er hatte jetzt die meisten Briefe geöffnet und war ruhiger geworden. Nur vor einem Umschlag hatte er noch Angst. Es war ein Kuvert mit schwarzem Rand, wie es für Trauerpost verwendet wurde. Er nahm den Brief sehr zögerlich zur Hand. Dabei wusste er noch ziemlich genau, was Robert damals geschrieben hatte, nachdem er, Anton, ihm in einem unbändigen Wutanfall die Hände um den Hals gelegt und minutenlang zugedrückt hatte.
    Auch wenn du mich getötet hättest, Anton, es wäre dir nicht gelungen, das abzutöten, was in dir ist und was du nicht annehmen willst. Wenn du dich nicht endlich zu dir selbst bekennst, wird es dich ein Leben lang verfolgen. Ich liebe dich. Robert.
     
    Die Wut war wieder da. Um kein Grad abgekühlt seit damals. Schwarz schrie sie sich aus dem Leib, bis ihm der Schweiß von der Stirn lief.
    Als er sich einigermaßen beruhigt hatte, suchte er alle Briefe zusammen und trug sie zur Spüle. Er zündete ein Streichholz an und warf es hinterher. Er stand ganz ruhig da, schaute in die Flammen und wartete, bis alles zu Asche zerfallen war.
    Er hatte tatsächlich einen Menschen töten wollen, und das mit Vorsatz. Er hatte beschlossen, Robert

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