Im Namen Des Schweins
hin, ohne sich zu verstecken. Und vor fünfzehn Jahren war das noch nicht so wie jetzt, dass die Schwulen sich überall outen.« Lange Pause.
»Eine schöne Geschichte. Und auch eine traurige …«
»Da siehst Du es … Die besten Liebesgeschichten sind in der Regel traurig … Manchmal frage ich mich, wie unsere Beziehung jetzt wäre, wenn ich mich da in der Genossenschaft ein bisschen zurückgehalten hätte … Wer weiß. Das mit dem Priesterlein fing nämlich als Rache an. Ich kenne doch meinen Juan. Da bin ich mir sicher … Aber so ist das im Leben: Im Nachhinein ist man immer schlauer.«
»Und hast Du nie darüber nachgedacht, wegzugehen und woanders noch einmal neu anzufangen? … Oder Dir zumindest eine eigene Wohnung zu mieten? Dann müsstest Du Dir nicht mehr mit anschauen, wenn …«
»Tss …«, Rito sieht aus, als würde er gründlich darüber nachdenken: »Geld hätte ich genug. Das vom Schlachthof und dann noch die Stunden in der Genossenschaft und was ich noch so auf der Bank habe … Davon könnte ich mir ein Chalet im Dorf kaufen, wenn ich wollte. Aber ich traue diesem geilen Bock von Priesterlein nicht über den Weg. Eines Tages lässt er Juan sitzen, und an dem Tag muss ich da sein.« Kurze Pause. »Guck mal: Das ist die Skistation. Die Cocktailbar ist hier unten. Siehst Du die Lichter? Das ist jetzt überhaupt kein Schwulenlokal, ja, nicht, dass wir uns falsch verstehen. Aber manchmal komme ich nachts hierher, um mir etwas Leckeres zu angeln. Die Leute hier haben alle Niveau. Letzten Monat habe ich einen Holländer kennengelernt, der mich in die Ferien nach St. Moritz eingeladen hat. Da siehst Du’s wieder: Ich scheine wie dafür geboren zu sein, mit den Holländern um die Welt zu ziehen …«
Rito lacht und zeigt seine Zahnlücke.
***
Es klingelt. P macht auf. Im Halbdunkel erkennt er im Hausflur die Heidi. Sie steht mit den Händen in den Anoraktaschen vor der Tür: »Hast Du die Schlüssel vom Zigarettenautomat?«, fragt sie ohne Umschweife. P zögert, er versteht nicht, wovon sie redet. Ihm fällt nichts Besseres ein, als die Frage zu wiederholen. Dann wird sie konkreter: »Die Schickse aus dem Pub hat gemerkt, dass die Schlüssel vom Zigarettenautomaten fehlen. Sie meinte, dass Du sie vielleicht noch hast.«
P versteht endlich. Er denkt kurz nach. Möglich: in der Anoraktasche. Er macht die Tür richtig auf: »Ich schau mal nach. Willst Du hereinkommen?«
P geht in das eine der beiden Schlafzimmer, das er als Kleiderkammer benutzt. Er schaut in der Tasche nach und findet einen kleinen Schlüssel. Dann geht er wieder an die Tür, die noch offen steht. Von der Heidi keine Spur. Sie ist durch den ganzen Flur gelaufen und zieht sich gerade im Wohnzimmer die Jacke aus. P macht die Tür zu und geht zu seinem Gast.
»Ja, ich habe ihn: Kurz bevor ich gegangen bin, habe ich gestern die Maschine aufgemacht, um sie nachzufüllen und ohne es zu merken, habe ich wohl das Schlüsselchen in die Tasche gesteckt …«
»Lädst Du mich auf einen Kaffee ein?«, fragt sie. P druckst erst ein bisschen herum und sagt dann gut. Sie schaut sich neugierig um. P hat sich aus zwei zusammengelegten Wollmatratzen ein G-förmiges Sofa gebaut, über das er ein paar Decken geworfen hat. Das dazugehörige Tischchen besteht aus zwei leeren Bierkästen, auf denen ein Tablett steht. Für die Lampen hat er sich aus Karton Schirme gebastelt, die rund um die Glühbirnen hängen. Zwei Türme mit ausgelesenen Zeitungen stehen herum, die ihm die Susi jeden Abend zur Seite legt. Sie sind bereits hüfthoch gestapelt. Außerdem ist da noch die Reproduktion von Giovanni Bellinis Madonna mit Kind vor einer Landschaft … Das Beste an der Wohnung ist, dass sie warm ist. Das Öfchen ist wie verrückt am Bollern. Und im Licht der Papierlampen wirkt sie gemütlich.
»Eine typische Männerwohnung«, sagt die Heidi, die bei ihren Erkundungen bis zur Schwelle der Küche vorgedrungen ist, in der P den Kaffee aufsetzt.
»Ja, die von einem Krokodil dürfte ganz anders aussehen.«
»Hä?«
»Nix: nur ein blöder Scherz.«
Sie verschwindet wieder. Als P aus der Küche kommt, sieht er sie an der Tür zum Schlafzimmer in der Nähe des Ofens herumschnüffeln. Sie hat sogar das Licht angemacht, um sich das ungemachte Bett und die drei Zeitschriften auf dem Boden besser anschauen zu können.
»Ich würde Dich ja gern durch die restlichen Gemächer führen, aber der Billardsalon wird gerade gestrichen …«
»Was?«
»Nix, noch’n
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