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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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schon Haare am Sack … Das war noch bei uns in der Gegend.«
    »In Castellón …«
    Rito nickt: »Aber mit fünfzehn bin ich schon von zu Hause weg und verdiente mir hier und da in den Kinos ein bisschen Geld oder es lief was am Strand. Aber immer Leute mit Niveau, ich schwör’s Dir. Und dann bin ich nach Teneriffa: Da hatte ich meine erste Wohnung, die habe ich unter dem Namen meines Chefs von der Diskothek gemietet, weil ich noch zu jung war … Und da hat mir dann ein Kunde aus Holland von Bilches erzählt, und da bin ich mit ihm dorthin gegangen. Das war nichts Ernsthaftes … Der war schon so um die siebzig … Aber so bin ich ein bisschen in der Welt herumgekommen … Das war mein Leben. Und dann tauchte der Koloss auf, der gerade aus seinem Bergdorf auf die Welt losgelassen wurde und in den habe ich mich dann wie ein Idiot verliebt.« Pause. »Hast Du Dich schon mal verliebt?«
    »Ein paar Mal. Das letzte Mal ist noch nicht so lange her.«
    »Ich habe mich in meinem ganzen Leben nur ein einziges Mal verliebt. Das klingt wie ein Bolero, was? Der Nennonkel war mein Professor, nicht nur mein Lehrer. Und alle anderen waren Jobs … Ich habe es mir damals ziemlich gut gehen lassen: feiern, ein schönes Leben, Sex ohne Verantwortung, schnelles Geld … Aber mit ihm war alles ganz anders … Weißt Du … Schon als ich den das erste Mal sah, hatte ich so ein tiefes Mitgefühl für ihn, wie ich es noch nie zuvor für jemanden empfunden habe. Oder höchstens, wenn ich einen Film geguckt habe …« Pause. »Entschuldige, wenn ich Dir jetzt hier das Ohr abkaue, aber ich bin heute ein bisschen zerbrechlich. Und Du bist ein guter Zuhörer, Du Gauner.« Er dreht sich zu P und grinst.
    »Ich höre gerne zu.« Pause. »Wie hast Du ihn kennengelernt?«
    Rito pumpt Luft in die Brust und stößt sie mit einem Mal aus: »Den Juan?«
    Die Seitenfensterchen sind vereist. Man sieht nur durch die Windschutzscheibe etwas, dort, wo sie erwärmt ist von der Luft, die aus den Düsen kommt. Die Straße ist außergewöhnlich schmal und kurvenreich, der Asphalt ist weiß vom Raureif, die Bäume glänzen im Licht der Scheinwerfer wie Weihnachtsbäume. Alles scheint in Kürze mit einem trockenen Knirschen einzufrieren. Im Innenraum arbeitet die Heizung auf Hochtouren. Man bekommt Lust, zu rauchen. P holt ein Päckchen Luckys heraus. Rito fragt nach einer Zigarette und bietet P dabei sein Papier mit dem Kokain an, um sie zu imprägnieren. P befeuchtet mit seiner Spucke die zwei Zigaretten und dreht sie ein wenig im Pulver; danach zündet er sie an und reicht eine dem Fahrer. Als der Rito anfängt, seine Geschichte zu erzählen läuft im Radio gerade Fernando: »Also, ich arbeitete im Lord Douglas, einer einschlägigen Bar. Wir hatten da eine Theke, die sah aus wie in Amerika … Im Sommer war es der helle Wahnsinn, aber im Winter tauchten nur die Stinkreichen auf, die das ganze Jahr über in Bilches lebten. Es war ein Montag. Der andere Junge, der am Tresen arbeitete, hatte seinen freien Tag. Ich hatte meinen sonntags … Also gut, und dann so gegen zwölf, klong, wie bei Aschenputtel, sehe ich eine unglaubliche Gestalt vor mir auftauchen. Ich schwor’s Dir, dass ich dachte: ›Der kommt sicher, um nach dem Abfluss zu schauen.‹ Aber nein: Er kommt und setzt sich an die Theke und bestellt einen Whisky mit Eis bei mir. Ich stelle ihm den hin und schwatze so ein bisschen mit ihm. Halt einfach so … Das gehörte so ein bisschen zu unserem Job als Barmann. Außerdem habe ich mir nach Ladenschluss immer mal was dazuverdient, wenn mir ein Kunde gefiel … Die Sache ist die:
    Der Typ schaut mich an und sagt zu mir: ›Ich heiße Juan.‹ Und dann gibt er mir die Hand … Huiuiui … Ab dem Moment gefiel er mir wirklich. Diese Pranke, die er mir hinhielt wie ein Riesenbaby, aber vor allem der Ausdruck in seinen Augen. Traurig, sehr traurig sah er aus: wie ein Bernhardiner. Manchmal schaut er immer noch so und ich schwör’s Dir, dass es mir immer noch einen Stich gibt.« Er hört auf zu reden und zieht an dem Tabak mit dem Kokain.
    »Und wie hat es den nach Bilches verschlagen?«
    »Der kam zufällig vorbei, als er die Küste hinuntergefahren ist. Er hatte noch nie das Meer gesehen … Kannst Du Dir das vorstellen? Der hatte von nichts ’ne Ahnung … Es war das erste Mal, dass er in einer Schwulenbar stand. Der kam da rein, ohne dass er wusste, wo er sich befand. Er hat mir dann erzählt, dass er sein Dorf nach einem Streit mit seiner Frau

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