Im Namen Des Schweins
»Wie kommst Du denn darauf …?«
»Dieser Hund … Das habe ich schon geahnt, kaum sieht der einen Hintern, den er noch nicht kennt, schon spielt er verrückt.« Er trinkt einen Schluck aus der Flasche. »Für Dich liegt eine Line im Bad. Ich mache Dir in der Zwischenzeit die Maschinen aus, wenn Du willst.«
»Weißt Du, wie das geht?«
»Fremder, wir haben hier alle schon mal gearbeitet …«
P geht auf die Toilette. Auf dem Spülkasten liegt ein zusammengerollter Zehn-Euro-Schein mit einer großzügigen Portion. Beim Urinieren überlegt er. Er wäscht sich die Hände. Dann nimmt er sich ein bisschen Klopapier, macht es unter dem Wasserhahn nass und wischt damit über das Becken, bis von dem Pulver nichts mehr zu sehen ist. Das Papier schmeißt er ins Klo und zieht die Spülung. Beim Herausgehen gibt er Rito den Schein, den er entrollt und zusammengefaltet hat.
»Sag mal, hast Du Lust, mit dem Auto noch auf ein Gläschen ins Tal zu düsen?«, fragt Rito. »Es ist noch ein bisschen früh, um an einem Freitag ins Bett zu gehen, vor allem, wenn man ein Grämmchen intus hat.«
P erscheint die Gelegenheit günstig, um in Ruhe mit Rito zu quatschen. Der ihn offenbar mag. Wahrscheinlich findet er ihn sogar gut. Wie auch immer, bisher hatten die zwei jedenfalls wenig Gelegenheit, mal in Ruhe miteinander zu reden.
»Ja, fände ich gut. Ich könnte einen Tapetenwechsel vertragen. Können wir irgendwo hinfahren, wo es ein paar neue Gesichter gibt und weder die Stones noch Creedence laufen? Ich lade Dich auch ein.«
»Im Tal werden jetzt die ganzen Deppen versammelt sein. Warst Du schon mal im Club an der Skistation …? Da fährt man etwa eine drei viertel Stunde, aber es lohnt sich, das ist eine ganz andere Welt.«
»Ist da viel los?«
»Ja, das ist wie in einem Club in der Stadt … Aber ich muss Dich vorwarnen: Wenn Du da mit mir auftauchst, kann es gut sein, dass alle denken, dass wir was miteinander haben … Manchmal mache ich da ein bisschen den Affen …«
Sein ganzes Benehmen ist gerade ungewöhnlich männlich. Alles Tuntige, was sonst so typisch für ihn ist, scheint er kurzzeitig abgelegt zu haben.
»Das ist mir egal«, sagt P. »Aber nett, dass Du es sagst.«
Und so gehen die beiden zusammen aus dem Pub. P schließt das Tor hinter sich ab. Sie steigen in Ritos Wagen, der ein Stückchen weiter unten geparkt ist: ein alter cremefarbener Volkswagen Golf Cabriolet mit einem marineblauen Dachbezug. Es ist kalt. Das Thermometer am Armaturenbrett zeigt minus drei Grad an. Die beiden packen sich in ihre Jacken, während die Heizung erst langsam anfängt, warm zu werden. Sie fahren ein Stück hinunter Richtung Tal, aber an der Kreuzung nehmen sie die Straße in den Norden. Rito hat das Fernlicht an, beschleunigt in niedrigen Gängen und fährt halb auf der Gegenfahrbahn, als wäre es undenkbar, dass ihnen ein Auto entgegenkommt. Der Innenraum erwärmt sich und die beiden können sich ein wenig in ihren Sitzen entspannen. Dann streckt Rito eine Hand aus, um das Radio einzustellen, worauf ein Lied von Abba zu hören ist, Chiquitita.
»Das war meine Zeit«, sagt er.
»Meine auch.«
Rito singt mit, ohne die Melodie zu treffen: »The stars are still in the sky and / shining above you …? ? Ach, das waren noch Zeiten … Weißt Du, dass ich heute Nacht eigentlich was zu feiern hätte?«
»Ach ja?«
»In einer Nacht wie dieser vor fünfzehn Jahren habe ich Juan kennengelernt: am 17. November 1986. Ich war damals fünfundzwanzig Jährchen jung und er einundfünfzig. Aber er sah schon genauso aus wie heute.
Ein bisschen weniger dick vielleicht, aber sonst derselbe. Ich dagegen bin auf dem absteigenden Ast: mit fünfundzwanzig war ich ein praliné.«
»Juan …? Kenne ich den?«
Rito lacht: »Der Metzger … Man glaubt es kaum, aber er hat einen Namen.« Pause. Er wartet auf eine Reaktion.
»Wo war das?«
»In Bilches. Kennst Du Bilches? Das ist ein Paradies … Die Typen haben sich um mich gerissen … Und ich habe damals haargenau verstanden, das Beste daraus zu machen …«
»Woraus? Aus dem Paradies oder dem Erfolg bei den Typen?«
»Aus beidem. Mit fünfundzwanzig hatte ich schon eine ganz ordentliche Laufbahn hinter mir … Mit zwölf habe ich angefangen, mit einem Schwager meines Vaters, der mir alles beigebracht hat, was man wissen muss. Ein Nennonkel sozusagen. Heutzutage würde man die anzeigen, aber damals … Außerdem habe ich mich darauf eingelassen, weil ich Lust dazu hatte. Ich hatte damals
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