Im Namen Des Schweins
einen Zauber treten mit einem Mal die Leute aus dem Dorf in Erscheinung. Sie sind weder besonders braun gebrannt noch flanieren sie durch die Straßen noch tragen sie kurze Hosen oder mit bunten Blumen bedruckte Hemden. Proportional gestiegen zu sein scheint auch die Zahl ausländischer Touristen im fortgeschrittenen Alter: stattliche nordeuropäische Paare, darunter viele Rotblonde mit heller Haut, die den milden mediterranen Herbst deutlich mehr genießen als die heißen, stickigen Sommertage. Kinderwagen sind verschwunden. Ebenso die Jugendlichen, die auf ihren Motorrädern die Straßen beherrschen. Lustigerweise sind auch keine hechelnden Hunde mehr vor den Geschäften angebunden.
In der Nähe der Kirche setzen sich der Kommissar und seine Frau an die einladend leeren Tische und bestellen sich zwei Bier. Der Kellner ist liebenswürdig, wirkt entspannt und ist nicht so gehetzt und überarbeitet wie sonst. Mercedes nutzt die Gelegenheit, um das Thema des Abendessens auf den Tisch zu bringen: »Hast Du Lust auf ein paar gepökelte Koteletts heute Abend?«
Nun muss der Kommissar mit ungewohnt singender Stimme und großer Bestimmtheit mit der Sprache herausrücken. Er kündigt ihr daher an: »Heute Abend gehen wir aus.«
»Ach ja? Wohin denn?«
»Das ist eine Überraschung.« Der Kommissar schaut auf die Uhr. »Komm, wir müssen uns umziehen. Ich habe uns einen Tisch für halb zehn reserviert.«
»Aha … Und seit wann ziehen wir uns um, wenn wir essen gehen?«, fragt sie mit einer Koketterie, die sie lange nicht mehr an den Tag gelegt hat. »Ich weiß ja gar nicht, was ich anziehen soll …«
»Du machst heute einfach nur, was ich Dir sage. Jetzt gebe ich mal den Ton an …«
Es ist noch nicht neun Uhr, als sie wieder in der Wohnung sind. Der Kommissar holt den Kleiderbeutel und den Koffer aus dem Versteck. Nachdem er seiner Frau unterbreitet hat, dass dieser Abend eine Art Hommage an sie wird, lässt sie alles lachend auf sich zukommen.
Sie zetert nicht einmal, als sie sieht, wie er ihr Tüllkleid über dem Bügel zusammengelegt hat, damit es in den Kleiderbeutel passt. Als er den Koffer öffnet, legt sie dann allerdings doch einmal kurz die Hand an die Stirn, als ihr die Schuhe, ein paar Schmuckstücke und ein Umschlag mit noch nicht getragenen Strümpfen entgegen kommen: »Ach, du liebe Zeit. Du wirst doch nicht alle Schubläden durcheinander gebracht haben?«
»Kein bisschen, Ehrenwort: Alles sieht so aus wie zuvor.«
»Wenn alles so aussehen soll wie zuvor, kann das eigentlich nur bedeuten, dass Du mir bereits zuvor alles durcheinander geschmissen hast, hm? … Hast Du mir eigentlich Winterstrümpfe eingepackt?«
»Oh … Ich wusste gar nicht, dass es …«
»Und welchen Büstenhalter soll ich zu dem schwarzen Kleid anziehen? Dazu gehört doch ein schwarzer ohne Träger …«
Einen Moment lang ist der Kommissar konsterniert.
Eine Woche hat er mit der gründlichen Vorbereitung dieses Abends verbracht und schon in den ersten Minuten so viele Fehler … Seine Frau will ihm die Überraschung auf keinen Fall verderben und nimmt sich zum Glück der Sache an. Sie stellt für beide eine passende Garderobe zusammen. Sie mischt dafür viele Sachen, die der Kommissar vorgesehen hatte, mit einfacher Sommerkleidung, die sie in den Schränken vorfindet.
Für sich selbst sucht sie eine feine Hose heraus und ein schwarzes Trägerhemdehen. Zwei Errungenschaften vom Dorfmarkt. Dann wirft sie sich ihr Tuch mit den großen roten Hibiskusblüten über die Schultern, aus dem sie sonst am Strand ihr Strandkleidchen wickelt.
Obwohl der Kommissar extra an den schwarzen Anzug gedacht hat, den sie für die Verabschiedung neu gekauft haben, stattet sie ihn mit der grauen Hose aus, die er bereits anhat. Dazu gibt sie ihm ein dunkelrotes Polohemd, das sehr schön zu dem roten Hibiskus des Schultertuchs passt. Darüber kommt lediglich das schwarze Jackett. Sie sehen aus wie zwei Magnaten, die im casual wear gerade an Land gehen. Arm in Arm laufen sie die Allee hinunter bis zum Hafen.
Das Restaurant, in dem der Kommissar einen Tisch reserviert hat, liegt erhaben an der Spitze, dort, wo der Sporthafen endet. Von dort hat man einen freien Blick über die Masten der Segelboote hinweg auf die ganze Bucht. Es ist eines der teuersten und elegantesten Restaurants an der ganzen Küste. Jachtbesitzer und die Bewohner der Traumvillen, die einsam in den versteckten Buchten der Gegend liegen, kommen hierher. Der intensive Geruch vom Meer
Weitere Kostenlose Bücher