Im Namen Des Schweins
streift er ihr den Ring über den Ringfinger, den sie ihm entgegenstreckt. Danach schließen sie sich allein schon deshalb in die Arme, damit der jeweils andere ihr Gesicht nicht sehen kann. So bleiben sie für ein paar Sekunden stehen und versuchen, ihre Fassung wiederzugewinnen, bevor sie sich mit zwei, drei, vier Küsschen lösen und sich wieder einander gegenüber an den Tisch setzen. »Darauf müssen wir anstoßen«, sagt der Kommissar, nachdem er sich mit der Serviette das Gesicht abgetrocknet hat. Sie macht aus denselben Gründen einen Versuch, ihren ureigenen Pragmatismus wiederzugewinnen und hält den Edelstein ins Licht der Tischlampe: »Großer Gott, der muss Dich ein Vermögen gekostet haben. Von welchem Geld hast Du den denn bezahlt?«
»Schon seit einiger Zeit lege ich mir immer ein bisschen Taschengeld zur Seite. Außerdem habe ich Dich ein bisschen ausgetrickst …«
»Wirklich? Wie denn?«
»Ach, der Audi hat in Wirklichkeit nicht ganz so viel gekostet, wie ich gesagt habe …«
Als sie aus dem Restaurant sind, laufen sie langsam Hand in Hand den Gehweg hinunter, der vom Sporthafen zu den Fischern führt. An den Fischernetzen vorbei, die am Boden liegen, bis zu der Stelle, an der sie den Fußgängerüberweg nehmen müssten, um nach Hause zu schlendern. Sie zieht ein wenig in diese Richtung, aber seine Hand führt weiter geradeaus: »Warte, das Fest ist noch nicht zu Ende.«
»Ach, nein?«, fragt sie. »Junge: noch mehr solcher Überraschungen?« Er führt sie auf den verlassen daliegenden Parkplatz am Strand. Dort ist es dunkler, als auf dem Gehweg. Als sie in der Nähe des silberfarbenen Audis sind, lässt der Kommissar die Hand seiner Frau los, um auf den Autoschlüssel zu drücken, den er in der Tasche hat. Er macht den Kofferraum auf und holt im Schein der Innenraumbeleuchtung zwei Handtücher aus der Tasche, einen indigoblauen Damenbadeanzug und eine dunkelrote Herrenbadehose.
»Wozu denn das?«
»Ein Bad im Mondschein. Na ja, vom Mond ist ja nicht allzu viel zu sehen, das ist aber fast noch besser so.«
Im Strom der Gefühle und unter dem Einfluss des Champagners lacht sie laut auf: »Meinst Du das ernst?«
»Voll und ganz. Komm, zieh die Sachen aus und zieh Dir das hier an. Hier sieht uns niemand.«
Er öffnet die zwei hinteren Autotüren und schaltet vorsichtshalber das Licht aus. Im Schutz der Wagentür fängt er an, sich auszuziehen. Sie lacht immer noch ungläubig: »Meine Güte: in unserem Alter …« Dann aber beginnt auch sie sich auszukleiden. Die Gestalt ihres Mannes in Unterhosen mitten auf einem öffentlichen Parkplatz hat sie endgültig davon überzeugt, dass er wild entschlossen ist, diese Nacht mit ihr bis zum letzten auszukosten. Sie braucht ein bisschen länger, bis sie fertig ist. Außerdem besteht sie darauf, die Operation im Wageninneren zu Ende zu bringen, während er draußen Wache schiebt. Als sie fertig ist, nimmt sie die Hand ihres Mannes und zieht ihn mit hinüber in den Sand. Offenbar hat sie Gefallen gefunden an den Überraschungen, die er ihr bereitet. Sie gehen zwischen den Booten hindurch, die gestrandet daliegen wie eine Familie von schlafenden Meeressäugetieren. Die dünne Sichel des zunehmenden Mondes. In nahezu vollkommener Dunkelheit bleibt der Kommissar stehen, als sie bereits sehr dicht am Wasser sind: »Warte mal«, sagt er, »alle sagen, Nachts sei es am allerschönsten, nackig zu baden.« Und unter dem Gekicher, das seine Frau zu unterdrücken versucht, um keinen Lärm zu machen, zieht er sich die Badehose aus, legt sie in eines der Boote und geht zu ihr, bis sein Körper sich an ihren schmiegt. Sie hat sich umgedreht und biegt sich vor Lachen. Er versucht, die Träger ihres Badeanzugs abzustreifen. »Halt, stopp, kommt gar nicht in Frage!«
»Komm, normalerweise bin ich doch der Verschämtere.« Das Ganze endet in einer kleinen Keilerei im Sand. »Lass den Unsinn: Was willst Du denn?«, ruft sie lachend. Die instinktive Bewegung des Kommissars, der sich vor ihren Klapsen schützen will, verschafft ihr die Gelegenheit, sich zu befreien, zum Boot zu rennen und sich flink des Badeanzugs zu entledigen, der ihr durch die Rangelei sowieso bereits unter den Brüsten hängt. Dann rennt und hüpft sie ins Wasser, wobei sie durch eine Körpertäuschung dem Kommissar entwischt, der auf halber Strecke in der Pose eines Ringers auf sie lauert. Platsch, platsch. Man hört das Wasser spritzen, bis sie ganz im Wasser liegt und auf und davon schwimmt.
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