Im Namen Des Schweins
Widerling«, antwortet der Junge mit all der Würde, die ihm sein jetziger Zustand erlaubt, »und den Spruch hat er sich verdient.«
»Aha. Mit dem kleinen Unterschied, dass sie Dir jetzt die Nase nähen werden, und der Idiot immer noch frei draußen herumläuft und damit angibt, dass er einem besonders schlauen Bürschlein die Fresse poliert hat. Meinst Du, dass es das wert war?«
»Wenn die Polizei ihrer Pflicht nachkommt und ihn festnimmt, ja, dann war es das wert.«
»Weißt Du, manchmal bist wirklich ein bisschen dreist, mein Freund. Hast Du Dir schon mal überlegt, dass es unmöglich ist, eine Person zu verhaften, zu der ihr nicht mehr Angaben machen könnt, als dass sie einen Motorradhelm aufhatte und die Hosen aus der Mode gekommen sind? Du wirst Dich leider auch noch daran gewöhnen müssen, einem Kommissar mehr Anhaltspunkte zu liefern, Du Schlauberger. Einen Verbrecher zu überführen ist fast so schwierig, wie zu wissen, welche CD für wen die richtige ist. Ist Dir das klar?«
Der Kommissar hat den Ton verschärft und der Junge sieht so aus als würde er gleich wieder losheulen, so dass er milder fortfahrt: »Na komm, sieh zu, dass sie Dir das wieder in Ordnung bringen, und versuch Deine Lektion für das nächste Mal zu lernen.«
Als er zehn Minuten später in seinem Büro steht, schlägt der Kommissar willkürlich das Buch von Hare auf. Ohne eine bestimmte Absicht, vielleicht nur aus dem naiven Wunsch, sich ein wenig zu zerstreuen:
»… Wir fragten einen Häftling, ob er schon einmal die Kontrolle über sich verloren hätte. Er antwortete:
› Nein. Ich habe immer die Kontrolle. Schließlich entscheide ich darüber, wie und wie sehr ich den Typen verletze. «‹
Im Paradies
T schlägt die Augen auf, fünf Minuten bevor der Wecker klingelt, obwohl er erst mit der Morgendämmerung eingeschlafen sein dürfte. Ihm fehlt jede Erinnerung daran, wie er ins Bett gekommen ist. Er fühlt sich verkatert und hat den Geschmack von abgestandenem Whisky im Mund. In der Bar auf der 33. muss er etwas zu viel getrunken haben, so viel weiß er noch, und dass er Unmengen an Hühnerflügelchen beim Koreaner auf der 7. verspeist hat. Sicher ist jedenfalls: Um elf Uhr ist er im Park verabredet. Dieser fast schon obsessive Gedanke hat ihn geweckt.
Als er aus dem Bad kommt, öffnet er den Einbauschrank, direkt gegenüber der Badtür. An den Bügeln baumeln die Kleidungsstücke, die er sich bisher in der Stadt zugelegt hat und die fast alle noch ungetragen sind. Das weiße Hemd, das er sucht, findet sich in der Reisetasche, die unten im Schrank steht. Etwas fällt ihm zwischen der Kleidung auf. Ein leicht verfilztes Teil aus grauem, dickem Baumwollstoff. Wie das wohl in seinen Schrank gekommen ist: ein Sweatshirt mit einer Kapuze und einer Tasche in der Mitte wie sie Schwarze häufig tragen. Kapuzensweatshirt. Er erinnert sich dunkel, dass er überlegt hatte, sich etwas in diesem Stil für sein Treffen im Park zuzulegen: Wenn er es gekauft hätte, würde er sich daran erinnern, stimmt’s? Stimmt. Vielleicht haben die Putzleute es ja irgendwo gefunden, fällt ihm ein, unter dem Bett, in einer Schublade oder an der Zimmertür und es ihm in den Schrank gehängt, weil sie dachten, es wäre seins.
Vielleicht ist es noch von seinem Vorgänger. Sieht aus wie neu und riecht neutral. Am ehesten noch nach Boucheron, aber das liegt vermutlich daran, dass der ganze Schrank ein bisschen danach schnuppert. Die Größe passt, amerikanisch XXL. Eigentlich könnte er es heute Morgen anziehen und dann erst später zurückgeben, fällt ihm ein. Vorne sind die Initialien NY in blauer Farbe groß aufgedruckt. Das findet er nicht besonders, aber auch nicht so schlimm, und es passt gut zu den Jeans, die noch in der Reisetasche liegen.
Im Sweatshirt, um zehn, frühstückt er draußen auf der Straße: Café und einen jüdischen Kringel, mehr Appetit hat er nicht nach den Hühnerflügelchen vom Morgengrauen. Um halb elf steigt er auf der 33. in die U-Bahn, nimmt dann einen Local bis zur 72. Ecke Broadway und läuft von dort aus zum Park. Die Gegend wirkt überraschend sauber, selbst im Tageslicht, und wenn man den Blick senkt und nicht auf die Höhe der Gebäude achtet, könnte man fast meinen, sich in einer europäischen Stadt zu befinden.
Er schlendert gemächlich dahin. Eine Ecke vor dem Central Park West wechselt er den Bürgersteig, um nicht vor dem Dakota-Gebäude entlang zulaufen. Just in case. Dann setzt er sich auf das Mäuerchen
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