Im Namen Des Schweins
sind …
Dieser leise Protest verdient keine Antwort, außer einem Runzeln über das ganze Gesicht.
»Und ohne Hosen?«
»Was willst Du denn mit Hosen am Strand? Du hast doch schon die Badehose an, oder nicht? Wir müssten Dir mal eine Kappe besorgen. Und Badelatschen.«
Allein bei der Erwähnung des Wortes »Badelatschen« verspürt der Kommissar eine gewissermaßen phonetische Aversion, aber im Augenblick fühlt er sich zu verunsichert, um der Expertin etwas entgegenzusetzen. Er geht zurück in das Ankleidezimmer, zieht die Strümpfe aus und ein weißes Hemd über, das er bis zum vorletzten Knopf zuknöpft. Dann stellt er sich wieder dem Gericht vor: »Besser?« Die Jurisprudenz nähert sich, öffnet ihm die oberen drei Knöpfe vom Hemd und tritt ein Stückchen zurück. Es sieht immer noch aus wie ein Tischtuch über einer Tafel für vier Leute. Jetzt knöpft sie es ganz auf, schlägt es ein wenig zurück und steckt die Hosenbändel in die Badehose.
»So soll ich auf die Straße gehen und allen meine Behaarung vorführen?«
»Wenn Du willst, kann ich Dich ja noch schnell enthaaren, bevor wir runtergehen …«
Die Miene des Kommissars sieht für einen Moment überaus alarmiert aus. Während sie fast loslachen muss: »Los, komm schon, mach kein Theater. Du siehst toll aus. Draußen siehst Du doch an jeder Ecke Herren, die so aussehen wie Du. Die laufen alle so rum …«
»Das stimmt, aber das sind Touristen …«
»Und wenn schon: Du und ich, wir sind ja auch Touristen. Einheimische Touristen.«
Der Schritt, mit dem der Kommissar aus dem Schatten des Eingangs treten soll, kostet ihn Überwindung. Die Straßen sind voller Menschen, aber er sieht niemanden in Badehose, zumindest niemanden von seiner Statur, so dass er versucht, sich ein wenig hinter der tollen Figur seiner Frau zu verstecken, die vor ihm auf dem Bürgersteig läuft. Ein weiteres Problem von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist, dass er nicht weiß, was er mit den Händen machen soll. Er beschließt, sie hinter dem Rücken zu verschränken, auch wenn das Hemd noch weiter aufklafft, als ihm lieb ist. Zum Glück sind es kaum hundert Meter bis zum Strand, aber auch die wollen erst einmal überstanden sein.
Und dann ist da noch die Kreuzung an der Promenade, ausgerechnet an der belebtesten Straße der ganzen Gegend. Die weißen Fußgängerstreifen überquert er wie ein übergewichtiger Käfer oder als hätte er nur eine Unterhose an. Er achtet darauf, niemanden anzusehen. Wenn er niemanden sieht, wäre es ja möglich, dass ihn auch niemand sieht, so ist die Logik.
Zu guter Letzt ist auch die grüne Promenade überstanden, dann der Parkplatz und schließlich gelangen sie zum Sandstrand. Das ist der Punkt, an dem der Kommissar normalerweise seiner Frau einen Kuss gibt, um schleunigst stadteinwärts Land zu gewinnen, sich ein schattiges Plätzchen an der Bar am Busbahnhof zu suchen und sich dort in der guten Gesellschaft einer Tageszeitung eine köstliche Portion panierter Boquerones munden zu lassen. Daher fragt ihn seine Frau, ob er heute nicht noch zum Kiosk will, um sich etwas zu lesen zu besorgen, worauf er lediglich den Kopf schüttelt, ohne auch nur ein Wort herauszubringen. Das liegt daran, dass er schon seit geraumer Zeit die Luft anhält, um zumindest einen Teil dessen, was man unter normalen Umständen als Bauch bezeichnen würde, wieder in ein Stück Oberkörper zu verwandeln.
Noch bevor er den Sand betritt (ein kleines Schrittchen für den Mann), dreht er sich zu den zwei hässlichen Apartmenthochhäusern um, die an der Uferpromenade stehen, wie jemand, der die Kathedrale von Amiens betrachtet, um Zeit zum Ausatmen zu schinden, ohne dass seine Frau das Keuchen hört. Jetzt ist der Moment gekommen, um die Bewegungen von ihr zu imitieren, mit denen sie sich die Badelatschen (was für ein Wort) auszieht und dasselbe mit seinen weichen Mokassins zu veranstalten, die sich ohne die Fürsorge der Strümpfe in feuchte, klebrige Kreaturen verwandelt haben, die ihn entfernt an Gedärme erinnern.
Am Strand ist niemand in ihrer Nähe. Die Badenden drängen sich vorne, dicht am Wasser. Der Kommissar kann sich aufs Laufen konzentrieren, wobei er mit beiden Armen das Gleichgewicht ausbalanciert. Die nackten Füße auf dem heißen, trockenen Sand zu spüren, tut ihm gut. Das Gefühl ist so vertraut und war doch so lange verschüttet. Zum ersten Mal freut er sich richtig, dass er das Abenteuer gewagt hat. Noch immer liegen einige heikle Aufgaben
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