Im Namen Des Schweins
und den Kopf immer noch über Wasser.
Ein paar Meter scheint er gleichwohl zurückgelegt zu haben, wenn auch die Boote immer noch gleich weit entfernt sind. Die Erschöpfung gewinnt Oberhand über die Kälte. Er merkt, dass er nicht mehr stehen kann. In gewissem Sinne gibt er klein bei, indem er toter Mann spielt, um wieder zu Puste zu kommen.
»Schande« und »Demütigung« sind erneut die Worte, die ihm in den Sinn kommen. Er bleibt ein paar Sekunden auf dem Rücken liegen und ruht sich aus. Die Ohren sind im Wasser, wodurch er seine eigene Atmung verstärkt hört. Jetzt oder nie: Mit einem plötzlichen, wutentbrannten Impuls nimmt er die Brille zwischen die Zähne wie die Machete eines Austernfischers, dreht sich wie eine weiß und granatfarbene Kugel um sich selbst und versucht mit aller Kraft nach unten zu tauchen. Mit zwei freien Händen, die drauflos schwimmen können, gelingt es ihm jetzt, tief genug zu kommen, um immerhin den Sand zu berühren, auch wenn das Wasser dort nicht einmal zwei Meter tief ist. Er stößt sich mit einer breiten Bewegung der Arme ab, woraufhin die Schultergelenke schmerzhaft stechen
Jedenfalls spürt er endlich mal wieder seine gesamte Muskulatur. Als würde der junge Sportler, der über Jahre von einer Fettschicht gedeckelt wurde, darunter hervorkommen. Für einige Augenblicke genießt er die unglaubliche Freude über die Schwerelosigkeit in diesem blauen und dichten Universum. Auch das ein angenehmes, vergessenes und nun wiederentdecktes Gefühl. Es hält aber nur relativ kurz an, weil er zügig wieder an die Oberfläche kommen muss, um sich mit einiger Zufriedenheit, wenn auch unfreiwillig, die Brille aus dem Mund zu nehmen und nach Luft zu schnappen, was darin endet, dass er eine Ladung Salzwasser schluckt.
Er fühlt sich erschöpft und beschließt, erhobenen Hauptes in den angenehmen Zustand der Beidfüßigkeit zurückzukehren. Er schnaubt, als er mit der Brille in der Hand ans Ufer zurückläuft. Die von der Anstrengung geschwächten Beine merken das enorme Gewicht, das sie auf dem Trockenen wieder tragen müssen. Er aber spürt ein physisches und sinnliches Glück in sich, ein so erfüllendes Glück, das der Befriedigung verwandt ist, die sich bei anderen intensiven Muskelbewegungen einstellt. Außerdem hat sich die Welt, ohne die Brille, auch an der frischen Luft in ein verschwommenes Gel verwandelt. Nichts ist zu erkennen.
Er überlegt, wie er seine Frau unter so vielen gestrandeten Knäueln im Sand wiederfindet. Gleichwohl müsste er sich um Letzteres keine Sorge machen, da sie bereits mit den Knien im Wasser auf ihn wartet und ihn hinausgeleitet: »Was hast Du denn da veranstaltet? Einen Moment lang habe ich gedacht, dass Du mir absäufst. Ich war drauf und dran die Rettungsschwimmer zu holen …«
Der Kommissar schnalzt zwischen zwei Schnaufern mit der Zunge: »Wieso sollte ich denn ertrinken, meine Liebe …«
»Und? Ist kalt, nicht wahr?«
Der Kommissar schnalzt noch mal verneinend, während sie zu den Handtüchern laufen …
»Na, dafür zitterst Du aber ganz schön und die Unterlippe ist auch ganz blau …«
Für einen Augenblick überlässt sich der Kommissar seiner süßen Müdigkeit. Als wäre er mit seinem Weibchen allein auf einer einsamen Insel und nicht an einem übervölkerten Strand, streckt er sich rücklings und kurzatmig auf dem Handtuch aus, lässt sich mit Sonnencreme einschmieren und empfindet eine köstliche Zärtlichkeit, die ihm über Brust und Bauch läuft.
Mit geschlossenen Augen spürt er eine unwiderstehliche Lust zu schlafen, während die Sonne noch durch die Augenlider dringt und aus der Dunkelheit einen lebendigen, gelb- und orangefarbenen Raum macht.
Kurz darauf allerdings muss er sich auf Bitten dieses Engels hin, der ihn so zärtlich liebkost, auf den Bauch drehen. Gleich darauf spürt er wieder die zierliche Hand, die ihm über den Rücken und die Nierengegend streicht. Dann verspürt er eine Spannung, die angenehm und beunruhigend zugleich ist, und die vom Effekt des Gewichts des bäuchlings liegenden eigenen Körpers begünstigt wird. Um vorzubeugen, dass daraus ein größeres Ding wird, dreht er sich auf dem Handtuch und unter freiem Himmel um und hält seinen Engel im Arm: »Ich habe das bestimmte Gefühl, Du und ich werden nach dem Essen eine kleine Siesta halten müssen.«
»Ganz bestimmt … mein Lieber …«
»Warum denn nicht?«
»Na, weil heute Sonntag ist und wir nicht zu spät zu Hause ankommen wollen
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