Im Namen Des Schweins
vor ihm. Seine Frau scheint das sofort zu spüren, sie nimmt ihn an der Hand, wie ein Team treten sie auf dem schmalen Streifen auf, der voll ist mit Handtüchern und Klappstühlen und Badenden, die nichts Besseres zu tun haben, als hinter ihren Sonnenbrillen neugierig alle Neuankömmlinge anzugaffen. Als sie eine Lücke gefunden haben, wird dem Kommissar klar, dass er früher oder später sein Hemd wird ausziehen müssen. Er taxiert die potenziellen Zuschauer des Spektakels, während seine Frau im Strandkorb nach Sonnencreme und anderen Utensilien kramt. Rechts von ihnen liegt ein älteres Pärchen, beide braun gebrannt, dessen männlicher Teil einen schlaffen Bauch aufweist, der über einer winzigen, über alle Maßen schamlosen Badehose hängt. Auf dieser Seite gibt es also keinen Grund zur Besorgnis. Links liegt ein Mann, der allein ist, sich auf dem Rücken ausgestreckt hat und zu schlafen scheint. Gut. Dahinter liegt ein Mädchen, oben ohne, mit kleinen, runden nackten Brüsten. Da besteht kein Zweifel. Bloß, wie verhält man sich in einer solchen Situation? Fürs Erste dreht er sich um hundertachtzig Grad, um den Horizont nach Haiflossen, Piratenfahnen oder anderen verdächtigen Elementen abzusuchen, die auf offenem Meer gesichtet werden könnten. Da holt ihn die Stimme seiner Frau ohne Umschweife auf den festen Boden der Tatsachen zurück: »Komm, zieh Dein Hemd aus. Ich creme Dich ein, sonst schälst Du Dich in fünf Minuten.«
Sie hat ihr Strandtuch abgelegt und ihr Körper, der in einem indigoblauen Badeanzug steckt, wirkt, obwohl er urvertraut ist, in dem neuen Licht besonders anmutig: rund und weich, aber fest und viel ausladender als der von dem Mädchen, das … oben ohne ist.
»Ist es klug, sich vor dem Baden einzucremen?«, fragt der Kommissar, der darum bemüht ist, sich auf die Unterhaltung zu konzentrieren.
»Du willst ins Wasser?«
»Na, klar doch.«
»Du weißt, es ist gerade mal Juni: Das Wasser ist noch ziemlich kalt …«
»Na, ich bin doch natürlich hier, um schwimmen zu gehen. Sonst wüsste ich gar nicht, wofür das Ganze gut sein sollte …«
Das ist ein günstiger Augenblick für den Kommissar, um sich seines Hemdes zu entledigen. Er wirft es wie einen Ball auf das Handtuch, das seine Frau für ihn ausgebreitet hat. Eine Sekunde lang schaut er an sich herab, von oben bis unten, und es überrascht ihn, wie weiß seine Haut im Sonnenlicht aussieht. Vor allem im Vergleich zu der Hautfarbe des Mädchens, die …
»Geh besser nicht zu tief rein … Kannst Du denn überhaupt noch richtig schwimmen?«
»Natürlich, meine Liebe, so was verlernt man doch nie.«
Der Kommissar geht also auf das Meer zu, in dem tatsächlich nur vereinzelt und in der Ferne Badende auszumachen sind. Die Fischerboote liegen unweit vor Anker und geben ein mögliches Ziel ab. Eine kleine Welle kommt seicht heran, umspült die Füße und nimmt einen Teil des Sandes unter seinen Fußsohlen mit sich. Es fühlt sich an, als würde er im Boden versinken. Ein angenehmes Kitzeln. Er geht ein Stück weiter hinein und meint Nadelstiche in seinen Waden zu spüren. Aber er denkt gar nicht daran, jetzt einen Rückzieher zu machen. Immerhin kommt er aus den Bergen und ist abgehärtet und mit den Widrigkeiten der Kälte vertraut. Er geht also noch ein paar Meter tiefer hinein, bis der Saum seiner Badehose nass wird. So weit, so gut.
Ihn überkommt ein Gefühl von Stärke und großer Körperbeherrschung. Just in diesem Moment kommt eine etwas größere Welle, das Wasser schwappt ihm bis zum Bauchnabel. Das Unbehagen ist groß, der feuchte Stoff klebt an der Haut, sobald die Welle zurückweicht. Der Kommissar weiß, dass es am besten ist, sich an diesem Punkt kopfüber hineinzustürzen und energisch loszuschwimmen, bis man warm wird. Aber was für eine Schande, als er feststellt, dass er mit der Brille auf der Nase ins Wasser gegangen ist.
Es ist viel zu spät, um zurückzugehen: Er nimmt sie ab, geht entschlossen weiter, taucht ein und hält sie fest in der linken Hand, die dadurch nicht mehr für Schwimmbewegungen zur Verfügung steht, sondern sich in eine Art Stumpf verwandelt. So gut es geht, versucht er kopfüber einzutauchen, die Arme fuchteln, die Füße strampeln. Einige lange Sekunden kämpft er eisern. Fast schon wütend wegen des angehaltenen Atems und der Kälte, die förmlich schmerzt, aber der Bojeneffekt seines eigenen Körpers hält sein Steißbein auf Wasserhöhe. Nach kurzer Zeit hat er einen Krampf im Arm
Weitere Kostenlose Bücher