Im Namen Des Schweins
urbaner Typ. Und vielleicht gibt’s sogar Pilze im Central Park …«
»Hmm … Ich finde diese Stadt manchmal monströs und grässlich. Zum Beispiel morgen früh, das kann ich Dir jetzt schon verraten …«, hängende Lippen, Lider halb gesenkt.
»Das ging mir am Anfang auch so. Irgendwie fand ich allein schon die Wolkenkratzer einschüchternd. Aus dem Flugzeug sehen die irre aus, ne? Irgendwie auch erhaben wie die Statuen auf den Osterinseln … Mittlerweile aber finde ich es hier sehr angenehm. Wenn jemand nirgendwo hinpasst, ist das hier seine Stadt … Schau Dich doch nur um: Fast alle, die Du hier vergnügt essen und trinken siehst, würden vor Einsamkeit an jedem anderen Ort der Welt elend vor die Hunde gehen.«
»Ach, lustige Menschen gibt es doch überall auf der Welt …«
»Ja, aber diese hier brauchen genau wie Pilze einen komplexen Lebensraum: Sie brauchen einen Wald aus Wolkenkratzern und einen Haufen Geschäfte und Bars und Getränke und Ausstellungen und internationale Airports … Siehst Du die große Schwarze im Abendkleid? Die siehst aus wie ein Model aufm Laufsteg. Schau Dir die mal an.«
»Ja … die ist … wahnsinnig hübsch … und irre groß.«
»Kannst Du sie Dir in einem Dorf vorstellen mit Kuhfladen und einer Tränke hinter dem Dorfplatz? Oder schau Dir diesen Herrn an, der seinem Freund Zwiebelringe in den Mund steckt … Was würde passieren, wenn der in einer Kantine einer Landwirtschaftskooperative sitzen müsste, um sich dort ein Spiel von Racing Santander anzusehen? Mit diesen … Schuhen …«
Suzanne lacht: »Dich dagegen sehe ich mit Deiner Kappe förmlich in der Landwirtschaftskooperative sitzen und eine Partie Domino spielen.«
Gespielte Empörung von T: »Bloß weil ich nicht von den Watusi abstamme oder gelbe Schuhe trage, bin ich trotzdem more sophisticated, als es den Anschein hat, damit Du’s weißt …«
Suzanne scheint nachzudenken: »Manchmal hast Du so was … mmh … irgendwie so etwas Geheimnisvolles an Dir … Eine dunkle Seite, aber die Art von dunkler Seite, die Männer attraktiv macht.« Weiter geht es mit einem anderen Gesichtsausdruck. »Darf ich Dich mal was fragen? Ich weiß ja nicht, ob Du darüber reden darfst, aber ich versprech Dir, dass ich es für mich behalte.«
»Okay, dann schieß mal los.«
Sie lässt sich etwas Zeit.
»Hast Du schon mal als verdeckter Ermittler gearbeitet?«
»In den letzten zehn Jahren habe ich nichts anderes gemacht.«
Ein schräger Blick von der Seite.
»Aber jetzt grad nicht, oder …?«
T lächelt.
»Nein, im Moment nicht … Sieht man mir den Geheimagenten an? Wenn ja, dann bin ich nicht gut …«
»In Deiner Akte stand es nicht, aber es passt zu Dir … Darf ich Dich noch was fragen?«
»Na, los.«
»Wieso kennst Du Dich mit Psychopathen so gut aus?«
»Die Frage ist einfach zu beantworten: weil ich Polizist bin, für die Mordkommission arbeite und es da hin und wieder mit welchen zu tun bekomme.«
»Und warum die Mordkommission? Ich weiß, dass ich Dich das heute schon mal gefragt habe, aber Deine Antwort hat mich … mmh … nicht voll überzeugt.«
»Das war aber eine ehrliche Antwort. Menschen, die es nicht stört, aus Lust und Laune oder um irgendeines Vorteils willen andere zu massakrieren, machen mir Angst. Deswegen bin ich Polizist geworden.«
»Okay, vielleicht ist die Antwort ehrlich, aber sie kann nur die halbe Wahrheit sein. Denn Du hast doch sicher genauso viel Angst vor einem Erdbeben oder vor Waldbränden, stimmt’s? … Und trotzdem bist Du weder Feuerwehrmann noch Sanitäter geworden, sondern Polizist.«
»Vielleicht wäre das anders, wenn ich als Kind einen Waldbrand erlebt hätte.«
Pause. Suzanne: »Du weißt, was man scheinbar daraus schließen muss?«
»Denk, was Du willst, aber eigentlich mag ich nicht darüber reden.«
Wieder eine Pause.
»Das hast Du mal gemacht, nehme ich an?«
»Was …?«
»Offen über das Thema geredet.«
»Nein, das wäre auch nicht gut für mich.«
»Aha.«
T seufzt, weil Suzannes »Aha« nach einer Mischung aus Zurückhaltung und Ironie klingt, selbst ohne Grimassen. Daher wechselt er den Tonfall, um sich ihr besser begreiflich zu machen: »Auch wenn die populärwissenschaftlichen psychologischen Ratgeber das Gegenteil behaupten: Ein Bekenntnis hat nicht immer den gewünschten erlösenden Effekt. Es ist eine Sache, sich den eigenen Schmerz bewusst zu machen, ihn scharfsinnig wahrzunehmen, um als Erwachsener daran zu arbeiten, eine andere
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