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Im Namen Des Schweins

Titel: Im Namen Des Schweins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pablo Tusset
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Das machen manche, vor allem die intelligenteren.
    »Echt? Warum …?«
    »Wenn eine Psychose diagnostiziert wird, ergibt sich juristisch der Vorteil, als geisteskrank eingestuft zu werden. Psychopathie dagegen ist nicht strafmildernd. Psychopathen haben ja nicht einmal eine neurotische Störung. In der Regel sind sie ziemlich vergnügt, auch weil sie eher enthemmt sind. Straffällig werden sie nur, wenn sie irgendeinen Vorteil davon haben oder aus purer Lust und Laune. Manchmal nur, um einen Augenblick Spaß zu haben. So wie andere Menschen Sport treiben … Das kann so weit gehen, dass sie nur so zu ihrem Vergnügen Leute misshandeln oder töten. Ohne jedes schlechte Gewissen. Meistens geben sie damit sogar an … Manche spielen Katz und Maus mit uns, nur um sich wichtig zu machen.«
    »Und wieso werden solche Leute nicht als psychisch krank eingestuft?« Auf Suzannes Gesicht spiegeln sich ohne jede Schauspielerei echte Bedenken.
    »Aus verfahrenstechnischen Gründen. Ihr psychiatrischer Befund ist schwer zu erstellen. Sie sind wenig empathiefähig, aber leiden weder unter Wahnvorstellungen noch unter Persönlichkeitsspaltungen und haben auch sonst keinen an der Klatsche.«
    »Was heißt eigentlich nochmal ›empathiefähig‹ …?«
    »Wenn das Glück oder der Schmerz anderer Dich berührt. Extreme Psychopathen können nicht mitfühlen.
    Da liegt das Problem. Sollte als mildernder Umstand gelten gelassen werden, dass jemandem das Leiden anderer völlig schnuppe ist? Die meisten Menschen haben genau die gegenteilige Intuition.«
    Pause. Suzanne: »Heißt das: Norman Bates aus Psycho ist psychotisch, weil er Wahnvorstellungen und eine Persönlichkeitsspaltung hat«, dabei sieht sie aus wie eine alte Oma, die ein Zwiebelmesser hält, »Hannibal Lecter dagegen ist ein Psychopath, weil er nur zum Spaß Leute umbringt.« Dabei leckt sie sich über die Lippen. »Oder?«
    »Nicht ganz … Hannibal Lecter ähnelt zu sehr Robin Hood. Es gibt zwar Überschneidungen, aber eher oberflächlich: Er hat Charme, ist intelligent, ist kalt … Aber wenn Du genau hinschaust, dann hat er es nur auf Böse abgesehen und hilft den Guten. Er ist eher einer der gerechtigkeitsliebenden Helden. Echte Psychopathen wären … mmh … die Außerirdischen aus Die Körperfresser kommen: die sehen aus wie Menschen, sind aber keine.«
    »Wann lief denn Die Körperfresser kommen?«
    »Ach, den hast Du sicher nicht gesehen. Sag mal, wieso reden wir beim Essen eigentlich immer über solche Themen? Können wir nicht mal zur Abwechslung über die Chelsea boys plaudern, bis die Paella kommt?«
    ***
    Das Unwetter platzt über das Village herein, gerade als sie eilig die letzten Reiskörner aufpicken, die unten an der Eisenpfanne kleben. Die Hälfte der Tische ist mittlerweile gefüllt, größtenteils mit Männerpärchen, aber auch mit Gästen aller Farben und Geschlechter. Viele kamen herein, als die Sintflut losbrach, schlüpften hier unter und trinken jetzt an der Bar ein Gläschen. Ein megatuntiger Kubaner hängt mit seiner überaus vertrauten Freundin ab, drei im Wall-Street-Look um die dreißig und eine betörende Dunkelhäutige von einem Meter und neunzig, die sich mit ihrem Handy herumschlägt … Die Halloween-Parade scheint ein paar Monate vorverlegt worden zu sein: There’s a Crawford, Davis/ and a tacky Cary Grant/and some boys looking for troubles down by from the Bronx. Als Suzanne und T ihren eiskalten Schnaps schlürfen, hat sich das Lokal in eine belebte Taverne verwandelt, voller Rauch und Stimmen auf Englisch und Spanisch. Der Donner und Lärm vom Unwetter laden nicht gerade dazu ein, den warmen Unterschlupf zu verlassen, der durch Compay Segundo und die Hits von Juan Luis Guerra immer mehr in Stimmung kommt.
    T schlägt vor, eine weitere Runde galizischen Trester zu bestellen, der in Baltimore destilliert wurde, und der Mann mit dem auffälligen Schnurrbart bringt ihnen gleich die ganze Flasche an den Tisch.
    Suzannes Augen glänzen: »Weißt Du was? Wenn ich ein bisschen was getrunken habe, finde ich diese Stadt großartig.«
    Ts Augen glänzen weniger, sind aber sehr entspannt:
    »Mir gefällt sie sogar, wenn ich nichts getrunken habe.«
    »Könntest Du hier für immer leben?«
    Die Geste von T ist durch und durch zustimmend.
    »Echt? Würde Dir nichts fehlen? Die frische Luft? Die Stille? Ruhe?«
    »Vielleicht würde ich manchmal nach Connecticut abhauen und Pilze suchen. Aber ich käme sicher bald zurück. Im Grunde bin ich ein

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