Im Namen des Sehers -: Soul Seeker 3 - Roman (German Edition)
Geistführer ist es meine Aufgabe, Dace zu führen. Ganz ähnlich wie Pferd, nur dass ich es auf viele unterschiedliche Arten tue.«
Ich richte den Blick auf den verletzten, bewusstlosen Dace und kann meinen Ärger kaum unterdrücken. »Tja, dann hast du hier ja wirklich ganze Arbeit geleistet, nicht wahr, Axel?«, zische ich. »Wirklich. Sagenhafter Erfolg. Weiter so.«
Er ignoriert die Beleidigung. »Ich bin zwar immer auf ihn eingestellt und habe einen starken Einfluss, aber nur in dem Maße, wie Dace es zulässt oder akzeptiert. Ich bin das unangenehme Ziehen in seinem Bauch. Ich bin der sanfte Druck in Richtung einer bestimmten Entscheidung. Ich bin die Intuition, nach der er nicht immer handelt. Ich bin ausschließlich dazu da, um ihn zu führen und zu beeinflussen. Es ist nicht meine Aufgabe, in seine Entscheidungen einzugreifen. Es gibt so etwas wie einen freien Willen, und ich muss sagen, dass Dace Whitefeather den seinen stets ausgeübt hat.«
Ich sinne über seine Worte nach, bin jedoch nach wie vor nicht überzeugt.
»Betrachte das Leben als Klassenzimmer. Ihr Menschen kommt hier an, um zu lernen und zu wachsen. Und das meiste Lernen und Wachsen erfolgt anhand der Fehler, die ihr macht. Das liegt in der Natur der Sache. Menschen würden nie irgendetwas lernen, wenn ihre Geistführer ständig eingreifen oder versuchen würden, sie zu beschützen.«
»Aber du hast eingegriffen! Du hast gerade gesagt, dass du mich gerettet hast, um Dace zu retten. Ich war schon tot, habe gerade meinen letzten Atemzug getan, als du mich wiederbelebt hast!«
Axels Lippen werden schmal, über seine Miene huschen widerstreitende Gefühle.
Da weiß ich, dass ich recht habe. Sein Gesichtsausdruck liefert mir Beweis genug, dass seine Gefühle für mich wesentlich tiefer sind, als er freiwillig zugibt. Wesentlich tiefer, als sie es eigentlich dürften.
Er schweigt lange, ehe er mich traurig ansieht. »Indem ich dich am Leben erhalten, dich beatmet habe, habe ich bedauerlicherweise meinen heiligsten Eid gebrochen.«
Sein Gesichtsausdruck ist schmerzlich. Er spricht die Wahrheit.
Eine Wahrheit, die mir offenbart, wie falsch ich ihn eingeschätzt habe.
Axel hat mich nicht versteckt gehalten, weil er heimlich in mich verliebt ist.
Er hat mich versteckt, weil er mich nicht hätte retten dürfen.
»Das stimmt«, bestätigt er, da er meine Gedanken belauscht hat. Der Blick, den er nun aufsetzt, sagt mir, dass ich nicht verlegen werden muss. »Dace hätte sterben sollen, nicht du. Deshalb war ich da – es war Zeit, ihn nach Hause zu geleiten. Aber statt Dace habe ich dann dich mitgenommen.«
»Dann war es also wirklich die Prophezeiung, oder?« Ich lasse den Blick in die Ferne schweifen. Das gesamte Fundament meines Wissens über das Leben kommt mir plötzlich ungewiss vor.
»Dass Cade es herbeigezwungen hat, war ein bisschen voreilig, aber nur ein bisschen. Es wäre ohnehin passiert. Aufgrund seiner Taten ist jetzt aber alles anders.«
»Weil stattdessen ich gestorben bin?«
»Zum Teil.«
»Und der andere Teil?«
Axel schaut auf Dace.
»Also, damit ich alles recht verstehe: Du solltest Dace in die Oberwelt holen, weil seine Zeit zu sterben gekommen war?«
Er nickt.
»Und dann kam alles durcheinander, und statt seiner bin ich gestorben?«
Er holt tief Luft, hebt die Schultern und lässt sie wieder sinken.
»Also hast du irgendwo zwischen der Unterwelt und der Oberwelt beschlossen, mich zu retten, obwohl es deinem heiligsten Eid zuwiderlief. Und das hast du getan, um letztlich Dace zu retten.« Ich mustere ihn eindringlich, doch er antwortet nicht. »Und dann hast du mich als Geisel gehalten, damit niemand in der Oberwelt registriert, was du getan hast, während ganz Enchantment mich für tot gehalten hat.«
Er wendet sich ab.
»Dann hast du also die ganze Zeit im Grunde dich selbst geschützt?«
Er schließt die Augen.
»Was für ein Mystiker bist du eigentlich?«
»In deinen Augen wohl kein besonders guter.«
Er hebt sich Dace auf die Schulter, und zumindest daran, wie vorsichtig er ihn anfasst, erkenne ich, dass er ehrlich um seinen Schützling besorgt ist. Dennoch gibt es für meinen Geschmack noch zu viele unbeantwortete Fragen, um auch nur daran zu denken, meine Achtsamkeit aufzugeben.
»Warum kannst du ihn nicht heilen, so wie mich?«
»Ich weiß nicht. Entweder liegt es daran, dass seine Energie zu dunkel und zu schwer ist. Oder …« Er macht eine kleine Pause. »Oder ich bin schon zu lange hier
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