Im Namen Ihrer Majestät
sehen sollte, sie wollte es sich nicht einmal vorstellen.
Zwei der Sicherheitsbeamten halfen der Freundin höflich, ein paar Kartons mit Schreibheften aus der Schule, Fotos und Ähnliches herunterzubringen, während Tessie schon bereute, überhaupt ins Haus zurückgekehrt zu sein. Sie erlebte die Beerdigung noch einmal. Sie nahm einige Gegenstände an sich, meist Fotos, und bat ihre Freundin dann, den Rest wieder nach oben zu bringen.
Diese nickte stumm und ging leise mit einem Karton in der Hand hinauf, während die Sicherheitsbeamten ihr den Rest abnahmen. Sie warf einen letzten scheuen Blick auf das Bett des Jungen, das, soviel sie erkennen konnte, seit der Mordnacht niemand mehr angerührt hatte. Um das Bett herum sah es aus, als hätte jemand mit einem Wasserschlauch Blut auf den hellblauen Hintergrund gespritzt, Blut, das jetzt nicht mehr rot, sondern braun aussah.
*
Wenn man den offiziellen Mitteilungen Glauben schenken wollte, beehrte der Premierminister Großbritanniens das Gastgeberland Schweden zum ersten Mal seit fünfundzwanzig Jahren mit einem offiziellen Besuch, weil er sich so gern ein Feuerwerk ansehen wollte. Das staatliche schwedische Brauereiunternehmen Pripps hatte deshalb ein schönes Feuerwerk veranstaltet, über das John Major sagte, es habe ihm sehr gefallen.
An seinem zweiten Tag in Schweden aßen der britische Premierminister und seine Ehefrau Norma beim Schwiegervater des schwedischen Ministerpräsidenten draußen auf Sundskär in den Stockholmer Schären frisch geangelten Barsch. Den Mitteilungen der Presse zufolge sei der Barsch gut gewesen.
Am Abend nach dem Barschessen auf Sundskär hieß es, John Major und seine Frau seien zu einem Essen beim schwedischen Königspaar eingeladen.
Man konnte also zu der Ansicht gelangen, daß dieser Staatsbesuch recht dürftig und inhaltslos sei. Es gab nur noch ein Ereignis, dem in den Medien neben dem Feuerwerk Aufmerksamkeit zuteil wurde. Das Feuerwerk war mit einer blauen Rakete sowie einer weiteren beendet worden, die Sterne über das Blau streute, so daß man den Eindruck haben konnte, das Ganze solle an die EU-Flagge erinnern. Das zweite Ereignis war, daß der Hubschrauber, der die beiden Regierungschefs von Djurgården in die Schären verfrachten sollte, zufällig ein Zelt umriß, in dem sich ein Restaurant etabliert hatte. Das Stockholmer Wasserfestival lief gerade, und so waren in der Stockholmer Innenstadt zahlreiche Zelte aufgestellt. Der kleine Unfall des Hubschraubers verursachte Kosten in Höhe einer Viertelmillion Kronen, und die Eigentümerin des Restaurants, Anna Eliasson-Lundquist, erhielt einen Blumenstrauß, eine Entschuldigung des Ministerpräsidenten und wurde überdies in allen Medien interviewt, weil diese Mühe hatten, überhaupt etwas über John Majors Besuch zu schreiben.
Einige Hintergrundberichte über ihn und all seine Minister, die gefeuert worden waren – die Reihe der hochwohlmögenden Ehebruchsaffären hatte in Großbritannien gerade erst begonnen –, wurden mit müder Selbstverständlichkeit zu Papier gebracht. Man schrieb einiges über John Majors Problem, ständig mit seiner Vorgängerin Margaret Thatcher verglichen zu werden, und erwähnte, daß seine Popularitätszahlen anfänglich in die Höhe geschnellt seien, weil es Krieg gegeben habe; während des siegreichen Krieges der UNO-Allianz gegen den Irak stieg die Unterstützung des britischen Premierministers durch das britische Volk auf ganze sechzig Prozent. Doch danach sei es bergab gegangen. Mit seinen letzten Zahlen, neunzehn Prozent, sei er zu dem »unbeliebtesten Premierminister aller Zeiten« gekürt worden. Es werde aufrichtig bezweifelt, daß dieser Staatsbesuch in Schweden, der offenbar hauptsächlich einem Feuerwerk und einem Barschessen gegolten habe, diese Zahlen aufbessern könnte.
Die beiden Regierungschefs hatten sich schon rund eine Stunde nach der Landung der britischen Regierungsmaschine in Bromma sofort in das schwedische Regierungsgebäude Rosenbad zurückgezogen. Wie es hieß, hatten sie in einer wichtigen Frage zu beraten, und für die Mittagszeit war eine Pressekonferenz angekündigt worden.
Zahlreiche erwartungsvolle Medienvertreter erfuhren, daß die beiden Herren über Sarajewo diskutiert hätten. Sie hätten sich darauf geeinigt, daß Schweden aus humanitären Gründen sechzehn Patienten aus einem Krankenhaus in Sarajewo aufnehmen werde, Großbritannien zwanzig und Irland fünf.
Diese magere und anscheinend inhaltslose
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