Im Namen Ihrer Majestät
Nachricht bestimmte den Tonfall, in dem die Medien anschließend berichteten. Die beiden Regierungschefs hatten draußen in den Schären ihren Spaß gehabt, aber nichts von Bedeutung besprochen.
Carl, der seine Arbeit im Generalstab mit halber Kraft wiederaufgenommen hatte, hatte lustlos die offiziellen Gründe für John Majors Besuch von Carl Bildt zur Kenntnis genommen. Carl ging davon aus, daß er konkretere Nachrichten erhalten würde, sobald der Staatsbesuch beendet war.
Doch schon an John Majors zweitem Tag in Schweden, dem Tag des Barschessens, wurde Carl per Telefon zu Verteidigungsminister Anders Lönnh gerufen, Carl sah es als gegeben an, daß dem Verteidigungsminister die Aufgabe zuteil geworden war, den Befehl zu überbringen, möglicherweise, weil der Regierungschef nicht mit einem Unternehmen in Verbindung gebracht werden durfte, das immerhin fehlschlagen konnte. So handelten Politiker oft. Sie taten, als wüßte die eine Hand nicht, was die andere tat.
Carls vorgefaßte Meinung bewirkte, daß es peinlich lange dauerte, bis ihm endlich aufging, daß hier eine Situation vorlag, in der die eine Hand tatsächlich keine Ahnung davon hatte, in welchem Marmeladentopf die andere steckte.
Carl hatte einen Wagen bestellt und war sofort zum Verteidigungsministerium gefahren, nachdem er den Ruf erhalten hatte.
Er mußte eine Weile draußen im Korridor sitzen und in verschiedenen Zeitungen der politischen Rechten blättern, bis man ihn in das großartige Dienstzimmer rief.
Der Verteidigungsminister kam ihm in seinem typisch federnden Gang entgegen und gab ihm herzlich die Hand. Dann schubste er ihn in einen der großen Ledersessel und erkundigte sich nach Carls Gesundheitszustand.
Carl berichtete kurz und zurückhaltend, er könne im großen und ganzen normal gehen und absolviere ein Krankengymnastik-Programm, das er genau befolge. Er werde schon bald voll wiederhergestellt sein. Im Augenblick fühle er sich noch ein wenig matt, weil er Medikamente bekomme.
Er sah nichts Ungewöhnliches im Interesse des Verteidigungsministers an den Folgen des Attentats, sondern wertete es eher als ein Zeichen normaler bürgerlicher Erziehung. Als der Verteidigungsminister plötzlich und mit unverdrossenem Eifer fragte, wann Carl wohl wieder einsatzfähig sei, antwortete er mit einem Anflug von Ironie, das hänge wohl eher von der Bedeutung der Sache als von seinem Gesundheitszustand ab. Er nahm die Frage nicht ernst. Das»Einsatzgebiet«, das in erster Linie in Frage kam, war London, und London würde wohl nicht sonderlich anstrengend werden.
Der Verteidigungsminister nickte nachdenklich, erhob sich plötzlich und ging zu seinem Schreibtisch. Dort holte er eine Mappe, die er lässig auf den Couchtisch vor Carl warf.
»Abu Ghraib«, sagte der Verteidigungsminister, als wäre mit diesen Worten alles erklärt. Carl verstand gar nichts.
»Jaa?« sagte er mit fragender Miene. »Was ist mit Abu Ghraib?«
»Ich möchte dich bitten, eine Befreiungsoperation zu skizzieren«, sagte der Verteidigungsminister entschlossen.
Carl nahm die Mappe an sich, richtete einen fragenden Blick auf den Verteidigungsminister und erhielt ein Kopfnicken, bevor er sie aufschlug und las. Jetzt erst begriff er, worum es sich drehte. Als erstes sah er Bilder von drei Schweden, an die er sich aus den Medien erinnerte, den Test-Ingenieur Christer Strömgren, dreiundvierzig Jahre alt, den Behördenchef Leif Westberg, dreiundvierzig Jahre, und den stellvertretenden Behördenchef Stefan Wihlborg, dreiunddreißig Jahre. In der Mappe befanden sich ferner einige Fotos eines Gebäudes, das wie ein gewöhnliches Gefängnis aussah, einige irakische Dokumente, ein Verzeichnis der Verwandten der schwedischen Gefangenen und einiges andere. Carl blätterte ohne Begeisterung in der Mappe. Seine Skepsis war ihm deutlich anzumerken.
»Drei schwedische Staatsbürger büßen in einem Loch in einem diktatorischen Staat eine sehr lange Gefängnisstrafe ab. Es ist unsere Schuldigkeit, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um ihnen zu helfen«, erklärte der Verteidigungsminister in einem Tonfall, der sich jetzt eher bittend als enthusiastisch anhörte.
»Das ist genau das, was die Amerikaner vor einigen Jahren im Iran versucht haben. Du weißt sicher, wie es damals ausgegangen ist«, sagte Carl leise. Er war bemüht, seiner Stimme einen bekümmerten Tonfall zu geben.
»Schon, aber was die Voraussetzungen angeht, besteht da ein bedeutender Unterschied«, entgegnete
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