Im Namen Ihrer Majestät
sei.
Luigi las konzentriert weiter. Es fiel ihm nicht einmal ein zu kichern. Dazu war die Geschichte viel zu unwahrscheinlich.
Der Prediger und Foreign-Office-Mann Booth war einer derjenigen gewesen, die sich für die Kampagne der John Major-Regierung Back to Basics stark gemacht hatten, für die Rückkehr zu dem guten, anständigen Leben. Dieser Kampagne zufolge waren Liederlichkeit und Sittenverfall dafür verantwortlich, daß Großbritannien keine führende Weltmacht mehr war. Unter anderem gebe es viel zu viele ledige Mütter. Den Karikaturen auf den Leitartikelseiten und den verschiedenen politischen Kommentaren entnahm Luigi nach und nach diesen Hintergrund. Anfänglich glaubte er seinen Augen nicht zu trauen, ließ sich jedoch irgendwann überzeugen. Diese Engländer waren verrückt.
Was den Methodistenprediger Booth anging, hatte dieser zunächst alles geleugnet und nur auf seine Philanthropie verwiesen. Die Skandalpresse hatte jedoch bald seine Liebesgedichte an die junge Miss Emily Barr ausgegraben oder gekauft, und auch wenn Luigi sich außerstande sah, die literarische Qualität dieser Poesie zu beurteilen, wurde zumindest dem Spion in ihm überdeutlich, daß die Beweislage eindeutig war.
Dieser Meinung war dann auch der Prediger gewesen und hatte konsequenterweise auf eine weitere Karriere im Foreign Office verzichtet.
Da mit diesem jüngsten Skandal ein Höhepunkt erreicht war, wurden ähnliche Ereignisse des Vorjahres rekapituliert. Der Kulturminister David Mellor hatte eine Verbindung mit einer angeblichen Schwedin gehabt. Diese trug den wenig schwedisch klingenden Namen Antonia de Sancha; sie hatte ihre Geschichte an eine Sonntagszeitung verkauft, in der sie die Vorliebe des Herrn Kulturministers für Hiebe auf das blanke Hinterteil darlegte, am liebsten im Trikot der Fußballmannschaft Chelsea. Auch er war zurückgetreten. Die »Schwedin« war durch den Verkauf weiterer Details ziemlich reich geworden. Überdies posierte sie in Latexkleidung.
Tim Yeao, Umweltminister, war dabei erwischt worden, daß er außerhalb seiner Ehe dazu beigetragen hatte, die Zahl lediger Mütter in England zu erhöhen. Auch er hatte zurücktreten müssen.
Luigi kam der Gedanke, daß es sich hier vielleicht um eine Strafe der Medienwelt für die Politiker handelte, die die Kampagne Back to Basics ausgebrütet hatten; besonders, als er den Kommentar der Feministin Germaine Greer las, man solle dafür sorgen, daß britische Minister kostenfrei Kondome als Dienstausrüstung erhielten, damit sie die Zahl lediger Mütter nicht unnötig steigerten und damit zum Verfall in Großbritannien beitrugen.
Der Transportminister Lord Caithness war zurückgetreten, nachdem seine Frau sich in den Kopf geschossen hatte. Sie hatte entdeckt, daß er fremdgegangen war.
Ein Minister, dessen Bekanntheit offenbar bei allen Lesern vorausgesetzt wurde, da man seine Funktion nicht nannte, ein gewisser Cecil Parkinson, war zum Rücktritt gezwungen worden, nachdem er seine Sekretärin Sara Keays geschwängert hatte. Von dem stellvertretenden Transportminister Steven Norris hieß es, er habe fünf Geliebte, sei aber noch nicht zurückgetreten.
Der konservative Parlamentsabgeordnete Jeffrey Archer solle, wie es in einer bei der Hure Monica »Debbie« Coghlan gekauften Story zufolge hieß, an vorzeitigem Samenerguß leiden. Die Hure, die mit dieser Bezeichnung in der Zeitung vorgestellt wurde, hatte die Story verkauft und stand für jedes Wort ein. Mr. Archers politische Karriere war damit beendet. Anschließend machte er die Schriftstellerei zu seinem Hauptberuf.
Luigi las intensiv und memorierte alles, als ginge es um Texte, die zu seinem Job gehörten, empfand aber auch zunehmend Unlust. Es kam ihm vor, als übte Lady Carmen nicht mehr den gleichen Reiz aus.
War er in einer verrückten Kultur gelandet? Waren alle so? Und außerdem: Falls außereheliche Affären in diesem Land tatsächlich so interessant waren, hatte er, Luigi, nicht gerade das unauffälligste Debüt als Under Cover-Agent erlebt, da er schon an seinem ersten Arbeitstag ein Verhältnis mit einer Person begonnen hatte, die ohne Zweifel Gefahr lief, bei der ersten besten Begegnung mit einem Fotografen am falschen Ort und im falschen Augenblick zum Stoff für Schlagzeilen zu werden.
Er war bei einer sexverrückten Nation gelandet, das stand eindeutig fest. Seine bislang einzige Aufgabe bestand darin, sich an das Leben in dieser Nation anzupassen, und mit diesem blitzschnell
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