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Im Namen Ihrer Majestät

Im Namen Ihrer Majestät

Titel: Im Namen Ihrer Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Plastiktüten? Gab es hier in England etwas, was Ausländer nicht begriffen?
    Carl gab die Angaben in seinen Laptop ein und erhöhte damit die Zahl der Plastiktüten-Fälle auf fünf. Ein Verrückter mehr oder weniger machte keinen statistischen Unterschied, wie er erkannte. Die entscheidende Frage war immer noch, ob es eine den wahrscheinlichen Mordfällen gemeinsame Mordmethode gab, die sich bisher noch nicht gezeigt hatte.
    Carl hatte diesen Gedanken schon bei der Erstellung seines Computerprogramms im Hinterkopf gehabt und konnte sich jetzt die Daten der vermutlichen Mordopfer nacheinander ansehen.
    Am Ende wagte er es, sich der entscheidenden Schlußfolgerung zu nähern. Er selbst, vielleicht auch Luigi, hätte die Morde ebenfalls durchführen können. Keiner von beiden hätte größere Schwierigkeiten gehabt, einen Mann in einer Badewanne zu ertränken und dann hinter sich aufzuräumen. Sie hätten einen Todeskandidaten auch von einer Brücke werfen können. Es hätte sie auch keine Mühe gekostet, die Betreffenden in dieser offenbar sehr englischen Aufmachung mit Damenunterwäsche und Plastiktüte auszustaffieren; der Einfachheit halber hatten die Mörder wohl mit der Plastiktüte begonnen und die modischen Pikanterien erst dann nachgeliefert, als das Opfer nicht mehr zappelte.
    Entscheidend war jedoch, daß diese als Selbstmord getarnten Morde unter relativ geringer Gewalteinwirkung hatten durchgeführt werden können.
    Dies bedeutete, daß jeder, der sich ahnungslos über Luigi hermachte, nämlich in dem Glauben, er brauche ihn nur niederzuringen und ihm dann eine Plastiktüte über den Kopf zu ziehen, auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen würde, falls er den Versuch überhaupt überlebte. Folglich sollte Luigi aktiviert werden. Das war die Nachricht, die Carl Sir Geoffrey übermitteln wollte.
    Carl drehte und wendete seine Erkenntnisse und untersuchte die verschiedenen Fälle wahrscheinlicher Morde nochmals. Die Variationen bei den Mordmethoden waren so groß, daß zumindest einige Fälle, vor allem die mit den Plastiktüten und dem Ertrinken, unter Einsatz körperlicher Gewalt erfolgt zu sein schienen und nicht unter Einsatz von Chemikalien.
    Die Datenauswertung des Computerprogrammes und Carls logische Überlegungen führten zu diesem Ergebnis. Das Problem war aber, daß eine fehlerhafte Schlußfolgerung bedeutete, daß er das Leben eines seiner Mitarbeiter aufs Spiel setzte.
    Es wäre unehrlich, das Unternehmen unter Hinweis auf vermeintliche Risiken abzublasen, die Carl schließlich nicht entdeckt hatte – aller Voraussicht nach würde es unmöglich sein, einen Mann wie Luigi oder ihn selbst dazu zu bringen, mit den bisher gezeigten Methoden Selbstmord zu begehen. Und für den Fall dieses Ergebnisses hatten zwei Regierungen in westlichen Demokratien entschieden, daß man sich Luigi als des Spezialisten beim Dienst bedienen würde, der er tatsächlich war.
    Ebenso unehrlich wäre es, die Risiken mit Luigi nicht offen zu besprechen; es würde nicht genügen, ein paar Scherze darüber zu machen, daß wahrscheinlich zwei Typen mit schwarzen Spitzenhöschen, einer Apfelsine und einer Plastiktüte herumwedeln würden, die man dann auf geeignete Weise unschädlich machen müsse. Ungeklärt war schließlich, ob die Mörder ihren Opfern gedroht hatten, etwa mit einer Waffe. Und damit stellte sich die Frage, ob Luigi bewaffnet werden sollte.
    Die Antwort war nicht ganz einfach. Der Vorteil einer Waffe in Luigis Händen war, daß damit die Bedrohung durch eine Waffe in den Händen des Feindes neutralisiert wurde. Der Nachteil war, daß Luigis Cover als unschuldiger und harmloser Computerfreak sofort platzen würde, wenn man sie entdeckte. Vielleicht sollte Luigi selbst dazu Stellung nehmen. Tatsache war, daß jeder, der in Luigis Reichweite mit einer Pistole oder einem Messer herumfuchtelte, wahrscheinlich sehr schnell sterben würde. Und in Reichweite mußte der Täter sein, wenn ein Opfer ertränkt werden sollte oder wenn man ihm eine Plastiktüte über den Kopf ziehen oder ihm Stromkabel an den Zähnen befestigen wollte.
    Carl verschloß sein Computerprogramm mit einem Code, klappte den Deckel des Laptops zu und schaltete den Strom aus. Dann ging er zum Telefon, rief die angegebene Nummer an, unter der sich eine anonyme Stimme meldete, und teilte mit, der Dienst solle so freundlich sein, sein Material abzuholen. Er sei jetzt fertig. Inzwischen hatte er Lust auf den ersten Spaziergang seines Lebens in London

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