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Im Namen Ihrer Majestät

Im Namen Ihrer Majestät

Titel: Im Namen Ihrer Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Mord?«
    »Kaum. Stephen hatte ja seine lustigen kleinen Gewohnheiten. Ich habe diese Dinge übrigens nie so recht verstanden. Ich nehme an, daß diese Jungs zu lange im Internat gewesen sind und sich an andere Dinge gewöhnt haben als an Frauen.«
    »Hast du nicht auch ein Internat besucht?«
    »Natürlich. Eton. Aber mit verdammten Apfelsinen haben wir uns nie amüsiert. Außerdem liegt Eton ja nicht am Ende der Welt wie manche anderen Schulen. Wir konnten an den Wochenenden nach London fahren und uns die Hörner abstoßen. Apfelsinen und Plastiktüten haben wir jedenfalls nicht angemacht, wenn ich so sagen darf.«
    »Wie tröstlich, das zu hören, ich meine, für euch Eton-Jungs«, sagte Carl. »Aber was haben die Apfelsinen mit der Sache zu tun? Hier fehlt mir offenbar etwas in meiner Allgemeinbildung.«
    »Na ja, es ist nicht die Apfelsine allein, die einen Kick auslöst«, sagte Sir Geoffrey und lächelte verlegen. »Es geht um das, womit man die Apfelsine gefüllt hat, und der gute Stephen hatte eine Neigung zu einer Jugenddroge, die in den entsprechenden Kreisen Popper oder so ähnlich genannt wird, und die befand sich in der Apfelsine.«
    »Das wißt ihr?«
    »Ja, das ist inzwischen bestätigt worden. Das wird wohl auch irgendwann an die Presse durchsickern, nehme ich an.«
    »Und warum eine Plastiktüte?« fragte Carl resigniert.
    »Nach einem Sachverständigenurteil auf diesem Gebiet kann man durch Auslösung von Erstickungsempfindungen seine sexuelle Lust steigern.«
    »Und das ist hier in England allgemein üblich?« fragte Carl. Er wandte sich bei diesen Worten zu Sir Geoffrey und blickte ihm ernst in die Augen, als wollte er sichergehen, eine aufrichtige Antwort zu erhalten.
    »Na ja, sagen wir lieber Großbritannien«, sagte Sir Geoffrey peinlich berührt.
    »Teufel auch«, sagte Carl und sank in die knarrenden hellgelben Lederpolster. »Unsere Mörder haben sich offenbar ein gediegenes ethnographisches Wissen über die absonderlichen Gewohnheiten der Eingeborenen verschafft, bevor sie zur Tat schritten.«
    »Sollte das lustig sein?« knurrte Sir Geoffrey.
    »Ganz und gar nicht. Ich stelle nur fest, daß unsere Mörder jedenfalls bedeutend mehr über die Briten wissen, als ich gewußt habe. Süßer Jesus! Plastiktüten und schwarze Damenunterwäsche. Ist diese Nation völlig meschugge?«
    »In mancherlei Hinsicht werden hier absonderliche Gewohnheiten kultiviert, ja«, gab Sir Geoffrey zu.
    Carl blickte nachdenklich durch die gepanzerte Scheibe hinaus.
    »Wie wär’s, wenn wir jetzt weitermachen«, bemerkte Sir Geoffrey, ohne die Ungeduld zu zeigen, die er bei Carls leicht geistesabwesender Attitüde empfand.
    »Na schön, Geoff, womit denn weitermachen?« fragte Carl und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger an der Nasenwurzel.
    »Mit Mütterchen Rußland, ich bitte dich!«
    »Ach ja, Mütterchen Rußland«, seufzte Carl. »Ihr führt unseren schwedischen Agenten, und du hältst Kontakt mit Samuel Ulfsson. Ich fliege nach Hause, widme mich ein paar Tage den Vorbereitungen, und dann statte ich Mütterchen Rußland einen Besuch ab. Ich bleibe eine runde Woche weg. Sobald ich wieder festen Boden unter den Füßen habe, erhältst du einen Bericht.«
    »Das Projekt läuft also?«
    »Ja. Wie ich schon sagte, die Anweisungen meines Ministerpräsidenten sind eindeutig. Sofern sich keine operativen Hindernisse dem entgegenstellen, werden wir unser Äußerstes tun, um den Dienst Ihrer Majestät zu erfreuen. Das ist alles«, sagte Carl und blickte demonstrativ aus dem Seitenfenster.
    »Aber das ist ja großartig!« rief Sir Geoffrey aus. »Und das sagst du erst jetzt, sozusagen nebenbei? Du wolltest mich wohl auf die Folter spannen, bevor du mir die gute Nachricht überbringst.«
    »Wie auch immer«, sagte Carl. »Jetzt legen wir jedenfalls los. Mein Ministerpräsident hat sogar einen Codenamen für die Operation gefunden. Der gestreifte Drache.«
    »Wieso gestreift?« wollte Sir Geoffrey wissen. »Trägt der Drache einen Schlafanzug?«
    »Nur Briten schlafen in gestreiften Schlafanzügen, nehme ich an«, entgegnete Carl mit der Andeutung eines feinen Lächelns.
    »Nein, gestreift ist die neue russische Trikolore. Ich habe das auch gefragt, als mein Chef die Sache erklärte. Aber so ist es jetzt, der gestreifte Drache hat losgelegt.«
    Der grüne Bentley glitt langsam die Pall Mall entlang und hielt leise wie ein Flüstern vor dem Travellers’ Club. Der Chauffeur sprang wie ein Pfeil aus dem Wagen, öffnete

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