Im Namen Ihrer Majestät
Wendung nichts weiter als ein kleiner Scherz.
»Wenn sie über mich herfallen«, fragte Luigi schließlich, »gibt es dann irgendwelche Beschränkungen meiner Handlungsfreiheit?«
»Nein, du unterliegst absolut keiner Beschränkung«, entgegnete der andere schnell und bestimmt. »Wenn ich das Ganze recht verstanden habe, liegt dem wohl der Gedanke zugrunde, daß unsere Freunde, die Selbstmord-Organisatoren, dann endgültig beim falschen Mann gelandet sind.«
»Ja, das habe ich auch schon kapiert, als wir zu Hause darüber gesprochen haben«, sagte Luigi. »Was du mir aber sagst, ist also die offizielle Linie des Dienstes?«
»Ohne Zweifel.«
»Wie gut, das zu wissen. Dann wollen wir nur hoffen, daß sie sich über mich hermachen und nicht über den Journalisten. Nun, sag mir jetzt, was ich mit ihm machen soll?«
Der andere sah auf die Armbanduhr. Luigi gewann den Eindruck, daß diesen Treffen zeitliche Grenzen gesetzt worden waren, was übertrieben bürokratisch wirkte. Es befanden sich nur wenige Besucher des Museums in Sichtweite, und überdies hatten beide routinemäßig die Umgebung abgesucht, während sie sich unterhielten.
Luigi erhielt eine letzte schnelle Anweisung. Der Journalist würde anrufen und vermutlich den Eindruck erwecken, als glaubte er nicht an die Möglichkeit, ein Interview zu erhalten. Luigi sollte sich als naiver netter Amerikaner geben und sich einverstanden erklären, sich aber gleichzeitig dafür entschuldigen, daß er in der Sache nicht ausführlich auf seine Arbeit eingehen könne. Er dürfe nur die Selbstverständlichkeit bestätigen, daß er bei Marconi Naval Systems arbeitete. Damit ergab sich von selbst, daß seine Arbeit mit Militärtechnologie zu tun hatte und ebenso selbstverständlich mit Computern. Was die Arbeit selbst anging, sollte Luigi auf den Werksleiter draußen in Addlestone verweisen. Der würde sich zum Erstaunen des Journalisten ungewöhnlich konkret äußern, sobald die Rede auf Luigi kam.
Luigi selbst, so der MI-6-Mann, solle den Unwissenden spielen, was das Selbstmordrisiko angehe, die Angelegenheit bagatellisieren und sie am besten damit abtun, daß er noch viel zu viele Frauen vor sich habe, um in diesen Bahnen zu denken. Oder etwas anderes sagen, was einem jungen Italo-Amerikaner in einer solchen Situation einfallen könne.
Luigi erhob sich überraschend und ging. Er hatte sich Mühe gegeben, seinen Widerwillen gegen den britischen Kollegen zu unterdrücken, entdeckte aber, daß es ihm zunehmend schwerer fiel. Er hatte den starken Verdacht, daß der Zynismus seines Kollegen kein rein sprachliches Phänomen war, ein Firnis des Jargons, sondern echt. Vermutlich würde man es beim Dienst recht lustig finden, wenn der Feind sich über einen wehrlosen Journalisten hermachte, statt in die ihm gestellte Falle zu tappen. Die positiven Vorurteile, die Luigi gehegt hatte, daß Briten nämlich Gentlemen seien, hatten schon jetzt einen ernsthaften Knacks bekommen.
*
Ein Reiter besteigt ein Pferd immer von links und setzt als erstes den linken Fuß in den linken Steigbügel. Carls linkes Bein war jedoch noch immer steif und recht unbeweglich, weil in seinem linken Schenkel fünfzig Gramm Muskulatur weggeschossen worden waren. Die mongolischen Tischler hatten plötzlich mit ihrer Arbeit aufgehört und Carl beobachtet, als dieser aufsitzen wollte. Was sie sahen, fanden sie derart komisch, daß sie sich kurz darauf in Lachkrämpfen am Boden wanden.
Als sie drei Stunden später zum ersten Mal absaßen, hatte Carl solche Schmerzen, daß ihm Tränen in die Augen schossen. Er vermutete, daß es vor allem daran lag, daß seine Beine verschieden kräftig waren. Wahrscheinlich verlagerte er in den Steigbügeln das Körpergewicht falsch. Doch da er schon so weit gekommen war, fiel es ihm nicht im Traum ein, einfach aufzugeben. Zu seinem Erstaunen konnte er trotz der körperlichen Schmerzen, die sich vor allem in Beinen und Knien bemerkbar machten, die berückende Schönheit der wilden Landschaft, durch die sie ritten, genießen.
Gorno Altaj war eine Mischung aus den mitteleuropäischen Alpen und dem nördlichen Skandinavien. Die hohen, spitzen Berggipfel waren schneebedeckt, doch ein großer Teil der Landschaft bestand aus älteren Bergen mit flacheren, runderen Formen, auf denen sie Kilometer um Kilometer unbehindert reiten konnten. Die Topographie machte es schwierig, mit dem bloßen Auge Entfernungen zu beurteilen, da das Alpen und Gebirgsklima Bäume manchmal wie
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