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Im Namen Ihrer Majestät

Im Namen Ihrer Majestät

Titel: Im Namen Ihrer Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Augen fiel, als er den gewaltigen Saal betrat, war das Skelett eines Diplodocus, des möglicherweise größten Landtiers, das je auf der Erde existiert hat.
    Das Museum of Natural History war der zweite Treffpunkt auf seiner Liste und lag ebenso wie das Brompton Oratory in bequemem Spazierabstand von Luigis Wohnung, nur ein paar Straßenblocks von der U-Bahn-Station South Kensington entfernt. Das Gebäude war gewaltig und erstreckte sich über mehr als einen normalen Straßenblock. Der Übersichtskarte entnahm Luigi schnell, daß es mehrere Tage erfordern würde, sämtliche Sammlungen zu besichtigen. Es war ein guter Treffpunkt mit vielen unübersichtlichen Ecken und Gängen und für einen erst vor kurzem zugezogenen Amerikaner mit wissenschaftlichen Interessen ein durchaus schlüssiger Aufenthaltsort. Es würde nicht auffallen, wenn er so oft wiederkam, daß der eine oder andere ihn wiedererkannte.
    Der eigentliche Treffpunkt lag neben Mick the Miller. Luigi wußte nicht, was ein Müller in diesem Museum zu suchen hatte, da man ihn kaum als Skelett vorzeigen würde, schon gar nicht in ausgestopftem Zustand.
    Die Stelle war jedenfalls leicht zu finden. Er mußte nur direkt an dem Dinosaurier sowie an einem Mammutschädel vorbei, den gewaltigen, kirchenähnlichen Saal durchqueren und dann die Treppe zur rechten Seitengalerie hinaufgehen.
    Es stellte sich heraus, daß Mick kein Müller war, sondern ein Hund, ein ausgestopfter Hund in einer Glasvitrine. Er hatte so etwas wie einen Ehrenplatz in einer Ecke, neben sich eine zweieinhalb Meter lange Holzbank für den Betrachter, der andächtig oder voller Bewunderung niedersinken wollte.
    Mick the Miller war ein Greyhound gewesen, geboren 1926. Die meisten seiner Hunderennenrekorde blieben bis 1974 ungeschlagen, bis ihn die Hündin Westpark Mustard in der Tabelle endlich überflügelte. 1938 war er in ausgestopftem Zustand dem Museum geschenkt worden, und jetzt befand er sich hier verewigt in seiner Vitrine.
    Luigi mußte sich jedenfalls eingestehen, daß der Treffpunkt gut gewählt war. Von der Bank hier oben konnte man die ganze Seitengalerie und die Treppe vom Haupteingang überblicken. Niemand würde dort unten an dem Dinosaurier vorbeikommen können, ohne von hier oben gleich gesehen zu werden. Niemand würde sich auch der Seitengalerie nähern können, ohne aufzufallen.
    Luigi betrachtete Charles Kincaid, falls der Mann tatsächlich so hieß, als dieser langsam und anscheinend höchst interessiert an dem Dinosaurier-Skelett vorbeischlenderte, den Regenschirm nachdenklich über eine Schulter gelegt. Er ließ sich Zeit, obwohl er schon zwei Minuten verspätet war. Und das in einer Branche, in der man, soviel Luigi wußte, gelernt hatte, daß man sich niemals verspäten darf. Luigi würde nur fünf Minuten warten und dann gehen, um in vierundzwanzig Stunden zur gleichen Zeit wiederzukommen.
    »Wir haben uns inzwischen mit dem alten Mick bekannt gemacht, nicht wahr?« begrüßte ihn der MI-6-Mann amüsiert. Er führte den Regenschirm an die Schläfe, als salutierte er.
    »Ihr Briten scheint von Hunden entzückt zu sein«, entgegnete Luigi und rückte auf der Holzbank ein wenig zur Seite, damit der andere sich setzen konnte.
    »Ich werde gleich zur Sache kommen. Man erwartet, daß diese Treffen nicht allzu lang geraten«, sagte der Kollege und legte Hut und Regenschirm neben sich auf die Bank. »Wir haben uns gedacht, wir sollten ein wenig Dampf machen und den Feind auf deine Anwesenheit aufmerksam machen. Wir werden einen Dummkopf von Journalisten auf dich hetzen, einen kleinen, ziemlich korpulenten und nach Schweiß riechenden Journalisten, wie ich vielleicht hinzufügen sollte, damit ich deine Libido nicht unnötig in Fahrt bringe«, erklärte der MI-6-Mann hochnäsig.
    »Ist er homosexuell?« fragte Luigi.
    »Soviel wir wissen, nicht. Er hat zwei kleine Kinder und ist verheiratet. Er interessiert sich sehr für Selbstmorde in der Rüstungsbranche und hat ein recht wirres Buch zum Thema geschrieben, für dessen Lektüre du keine Zeit zu verschwenden brauchst.«
    »Da du mir den Inhalt sowieso mit ein paar Worten schildern kannst«, schlug Luigi übertrieben freundlich vor.
    »Nun ja, es ist ein ziemliches Durcheinander, das übliche bei diesen Wirrköpfen, die überall eine Verschwörung wittern, nehme ich an«, erwiderte der MI-6-Mann mit einem Seufzen.
    »Und was ist bei diesen britischen Konspirationstheoretikern üblich? Hat es mit Tieren oder mit Sex zu tun?«

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