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Im Namen Ihrer Majestät

Im Namen Ihrer Majestät

Titel: Im Namen Ihrer Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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kleinen Kreis mehr oder weniger offiziell autorisierter Schriftsteller, die sich der Aufgabe widmeten, über die Nachrichten und Sicherheitsdienste Großbritanniens zu schreiben. Diese Hofpoeten, die nie etwas Bedeutendes enthüllten, zumindest nichts, was den Geheimdiensten Ihrer Majestät Kopfschmerzen bereiten konnte, hatten immer wieder wütend James Rusbridgers Behauptung zurückgewiesen, er sei beim MI 6 tätig gewesen. Natürlich hatten sie sich mit vereinten Anstrengungen über sein Spionagebuch The Intelligence Game hergemacht, als es vor einigen Jahren erschien. Den staatlich anerkannten Spionage-Schriftstellern Londons zufolge bestand sein Buch zur Hälfte aus reinen Lügen und zur Hälfte aus albernen Vermutungen. Was sein Buch jedoch objektiv von den Werken seiner Kollegen zum Thema unterschied, waren seine zahlreichen Beispiele für Unbeholfenheit, Nachlässigkeit gegenüber Gesetzen und Gleichgültigkeit gegenüber Menschenleben.
    Sein Tod war spektakulär. Die britische Presse informierte fast übertrieben genau über alle peinlichen oder merkwürdigen Details. Man hatte ihn auf dem Dachboden seines Hauses gefunden. Er hing mit einer Schlinge um die Beine und einer weiteren um den Hals an einem Dachbalken, so daß sein Körper ein U bildete. Er trug einen schwarzen, engsitzenden Regenmantel aus Gummi und eine Gasmaske aus dem Zweiten Weltkrieg, nichts weiter. Auf dem Dachboden, auf dem er gestorben war, fanden sich große Mengen von Pornographie, gewaltbetonte Bilder oder solche sadomasochistischen Charakters. Auffallend war die Menge der Bilder von schwarzen Frauen in Domina-Aufmachung.
    Er war ein eifriger Sammler von Gasmasken gewesen. In seinem Haus fand man mehr als ein Dutzend.
    James Rusbridger war nicht nur Schriftsteller gewesen, sondern auch einer der herausragenden Konspirations-Theoretiker des Landes und der vermutlich fleißigste Leserbriefschreiber. Er war in allen Zeitungsredaktionen Londons bestens bekannt, weil zahlreiche Journalisten mit seinen penetranten Erklärungen über verschiedene Verschwörungen hatten Bekanntschaft schließen müssen. Kurz vor seinem Tod hatte er sich besonders Mark Thatchers eventuell kriminellen Geschäften gewidmet sowie dem Politiker Stephen Milligan, dem Mann, der mit Damenunterwäsche, Plastiktüte und einer Apfelsine im Mund tot aufgefunden worden war. Rusbridger vertrat die Theorie, daß Milligan sich überhaupt nicht mit albernen Sexspielen befaßt habe, sondern ermordet worden sei. Rusbridger hatte mehrere Zeitungen mit diesen Ansichten bombardiert.
    Daß es sich um Selbstmord handeln mußte, wurde durch einige leicht zu deutende Fakten unterstützt. Rusbridger hatte zum Beispiel einen Abschiedsbrief in Form eines sehr scherzhaften Testaments geschrieben. Er starb mittellos mit der Drohung im Nacken, daß seine Wohnung fristlos gekündigt würde, da er seit Monaten mit einer Mietschuld von sechshundert Pfund im Rückstand war.
    Aufgrund der zahlreichen pikanten Details wurde in den britischen Zeitschriften viel über den Fall geschrieben, und Luigi las alles, was ihm in die Hände kam. Er drehte und wendete die Angaben und versuchte verschiedene Mordhypothesen anzuwenden. Er fragte sich, wie ein Mord gegebenenfalls arrangiert worden sein konnte, gab nach einiger Zeit jedoch auf, da die Presse zu den gerichtsmedizinischen Dokumenten keinen Zugang hatte und die Frage des toxikologischen Status des Opfers ausgelassen wurde. An keiner Stelle in den Medien entdeckte Luigi auch nur eine mißtrauische Frage, ob es sich vielleicht um etwas anderes als Selbstmord gehandelt haben könnte. In diesem Punkt war sich die Presse erstaunlich einig. James Rusbridger hatte sich im Alter von fünfundsechzig Jahren das Leben genommen, weil er pleite war.
    Luigi raffte seinen Zeitungshaufen zusammen, ohne in irgendeiner Frage Klarheit gewonnen zu haben. Es waren doch die Russen, die die Selbstmorde hier in der Stadt organisierten. Das war zumindest die These, die ihn zum Köder gemacht hatte. Aber weshalb die Russen sich auf eine Expedition nach Cornwall begeben sollten, um mit Gummikleidung und Pornographie einen abgebrannten Schriftsteller zu »Selbstmorden«, der bislang vor allem durch Rechthaberei aufgefallen war, war nicht leicht zu verstehen.
    Luigi sollte Lady Carmen in einem Restaurant treffen. Als Luigi die Zeitungsstapel in einen Müllsack stopfte, spürte er so etwas wie freudige Erwartung. Er war bester Laune und hätte für den Rest des Tages James

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