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Im Namen Ihrer Majestät

Im Namen Ihrer Majestät

Titel: Im Namen Ihrer Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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und wie nett deine Chefs sind.«
    »Natürlich«, bestätigte sie.
    »Ich weiß nicht, ob es so natürlich ist. Ich habe vorhin gesehen, wie einer von ihnen auf die Frage zu antworten versuchte, ob man dich bei IBM jetzt feuern muß. Das nennt man Nachrichten-Journalismus.«
    »Was hat er gesagt?«
    »Erst sagte er, daß man Leute natürlich nicht auf die Straße setzt, wenn sie von persönlichen Tragödien betroffen werden.«
    »Und dann?«
    »Dann fragte der muntere Nachrichtenjournalist, ob der Chef es mit seinem Gewissen vereinbaren könne, Hunderte von Menschenleben zu riskieren. Darauf antwortete dieser, das könne er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. Anschließend wurde das Interview gekappt.«
    »Man hat nicht erfahren, was er dann sagte?«
    »Nein, das ist es eben. Dieser Nachrichtenreporter teilte jedoch mit, daß Menschen es ganz allgemein nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren könnten, Hunderte von Menschenleben zu riskieren. Folglich hänge deine weitere Beschäftigung an einem seidenen Faden. Etwas in der Richtung.«
    »Warum reden sie denn über mich?« fragte sie mutlos.
    »Weil ihnen so etwas Spaß macht«, erwiderte Carl. Er schien erneut die Wut aufzuarbeiten, in der ihn Tessie vor ein paar Stunden vor dem Fernseher gefunden hatte. Er öffnete und schloß seine rechte Hand, so daß die Knöchel weiß aufblitzten.
    »Wenn IBM dich an die Luft setzt, ist es ihr Verdienst. Sie haben die Nachricht geschaffen, das heißt, sie haben sie als erste gebracht. Und anschließend laufen sie zu deiner Seite über und spielen tief entrüstet.«
    »Ich nehme an, daß du leider nicht das Recht hast, diese Journalisten zu töten«, seufzte sie. Ihre Miene ließ erkennen, daß sie die gesetzlichen Beschränkungen in dieser Hinsicht aufrichtig bedauerte.
    Erst war er vollkommen perplex. Dann hellte sich sein Gesicht auf.
    »Ich habe eine bessere Idee«, sagte er. »Du kennst dich doch einigermaßen mit Computern aus?«
    »Einigermaßen. Ich mache es seit der Schule, bin aber alles andere als ein Genie.«
    »Und deine Arbeit besteht hauptsächlich aus juristischen Analysen, Patentrecht, dem Verkauf immaterieller Rechte, oder wie das heißt?«
    »So könnte man sagen, ja.«
    Er nickte nachdenklich, seine Stimmung hatte sich völlig verändert.
    »Weißt du, was ein ThinkPad ist?« fragte er eifrig.
    »Nein, ich bin, wie gesagt, Juristin«, erwiderte sie.
    »Aber du arbeitest doch immerhin bei IBM! Ein kleiner ThinkPad 750 C hat eine Speicherfähigkeit von 20 MB und eine Festplatte mit 340 MB. Das dürfte wohl genügen.«
    »Ich bin. Nicht ganz sicher. Daß ich verstehe. Was du meinst«, sagte sie mit übertriebener Betonung jedes Wortes.
    »Ich meine, daß du mit deiner Arbeit nach Hause umziehen kannst. Du arbeitest schließlich nicht bei einem Malermeister, sondern bei IBM. Wir können eins der leeren Zimmer auf dem Dachboden herrichten. Da kannst du unmittelbar mit allen Archiven kommunizieren, mit allen Menschen. Wir können dir ein Bildtelefon installieren, du kannst Simultangespräche führen, du kannst aus der ganzen Welt alles anfordern und ein paar Tage in der Woche in die Stadt zur Arbeit fahren, und zwar zu verschiedenen Zeiten, wie immer es dir paßt.«
    »Hast du vor, mich zu einem Computerfreak auszubilden?«
    fragte sie übellaunig. »Wie stellst du dir das vor?«
    »Kleinigkeit! Es sind ja IBM-Maschinen! Die benutzen wir auch bei den Streitkräften. Das bring’ ich dir im Handumdrehen bei.«
    »Das wird ein ziemlich langes Handumdrehen«, murmelte sie mißtrauisch.
    »Du arbeitest, ich habe Vaterschaftsurlaub, und damit habe ich das Recht, mich um den Haushalt zu kümmern. Das wird sich schon alles regeln lassen.«
    »Aber kannst du denn alles…?« fragte sie zweifelnd. Dann blickte sie in sein verblüfftes Gesicht und lachte im selben Moment los wie er.
    Es war das erste Mal seit sehr langer Zeit, daß sie gemeinsam lachten.
    *
    SELBSTERNANNTER SELBSTMORD-EXPERTE MACHT ES SELBST lautete die zynische Schlagzeile in der Daily Mail.
    Die Nachricht war nicht sonderlich groß aufgemacht.
    Tony Gianelli alias Luigi Bertoni-Svensson las den Artikel sorgfältig zweimal. Was ihn zunächst am meisten erschütterte und anwiderte, war nicht, daß Tony Collins in Wahrheit ermordet worden war, denn über dieses Risiko hatte sein MI-6- Verbindungsmann sogar gewitzelt. Im Augenblick des Lesens war der ironische und fast scherzhafte Ton, in dem der Artikel abgefaßt war, für Luigi am schlimmsten.
    Tony Collins

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