Im Namen Ihrer Majestät
wurde, nach Luigis Erfahrung im Grunde zutreffend, als ein übertrieben verschwörerischer Journalist beschrieben, der überzeugt gewesen sei, als einziger Reporter Großbritanniens verstanden zu haben, weshalb anscheinend eine Selbstmordepidemie über die britische Rüstungsindustrie hinwegfege. Anonyme Quellen in seiner Umgebung bezeugten, daß es ihn zunehmend deprimiert habe, nicht recht ernst genommen zu werden. Sein letzter Artikel sei beispielsweise in keinem einzigen wichtigen Blatt zitiert worden, geschweige denn im Fernsehen. Offenbar habe er den Eindruck gewonnen, daß auch das auf eine Art Verschwörung zurückzuführen sei, wenn auch diesmal oben in der »Gesellschaft für eigenartiges Händeschütteln«. Er sei also der Meinung gewesen, das Establishment habe alles unter den Teppich gekehrt.
Man verglich Tony Collins in psychomedizinischer Hinsicht mit Personen, die sich vor dem Parlamentsgebäude und ähnlichen Orten selbst verbrennen, um ein letztes Mal auf ihre Sache aufmerksam zu machen.
Das würde auch seine Selbstmordtechnik erklären, hatte er doch offenbar vor, seinen Tod in einem rätselhaften Licht erscheinen zu lassen.
Seine Frau bezeugte nämlich ebenso wie natürlich auch angebliche Freunde und angebliche Arbeitskollegen, die namentlich nicht genannt wurden, daß er ein an der Grenze zum Langweiler normaler heterosexueller Mann gewesen sei, der mit seiner Frau die Missionarsstellung vorgezogen habe und Variationen nicht zugeneigt gewesen sei.
Seine Frau meinte, wenn man in einem kleinen Haus im Süden Londons lebe, könne man als Hausfrau mit der Verantwortung fürs Putzen und die Wäsche kaum zehn Jahre mit einem Mann leben, der eine Vorliebe für rosa Damenunterwäsche hege, ohne diese kleine Eigenheit zu entdecken.
Ohne die Witwe direkt zu dementieren, zitierte man doch in einem anschließenden Artikel einen Psychologen, der zu wissen behauptete, daß Angehörige nur sehr selten absonderliche Gewohnheiten ihrer Verwandten einzugestehen bereit seien, wenn sie zugleich die Trauer um einen Toten bewältigen müßten.
Der Daily Mail zufolge hatte Tony Collins eine Todesart gewählt, die unübersehbar an einige der Fälle erinnerte, denen er selbst so große und in gewisser Hinsicht paranoide oder rechthaberische Aufmerksamkeit gewidmet hatte.
Er war ein paar Tage länger in London geblieben, um an einer wichtigen Sache zu arbeiten, wie er seiner Frau erzählt hatte. Die Familie war nach Brighton vorausgefahren, um bei seinen Schwiegereltern eine Woche Urlaub zu machen.
Als er in seinem Haus allein zurückgeblieben war, hatte er einen hochkomplizierten Selbstmord begangen, ohne irgendeine Mitteilung zu hinterlassen. Die Technik war ein Potpourri der Fälle, die er mit so beharrlicher Hartnäckigkeit geschildert hatte.
Man fand ihn im Badezimmer mit einer rosafarbenen Korsage und einem rosafarbenen Höschen pornographischen Typs (Luigi hatte den Eindruck, daß das Höschen aufgrund der Beschreibung im Schritt offen war), aus dem sein Geschlechtsorgan hervorragte. Im übrigen trug er rosafarbene Lackstiefel, die bis über die Knie gingen, schwarze Nylonstrümpfe mit Gummizug ohne Strumpfhalter. Als Krönung des Ganzen war eine Plastiktüte von einem bekannten Pornohändler eng um den Kopf geschnürt.
Neben ihm stand eine Flasche eines sehr kostspieligen französischen Cognacs, in der nur noch ein paar Tropfen waren.
Die Tatsache, daß die gerichtsmedizinische Untersuchung einen Alkoholgehalt von 0,0 Promille im Blut ergeben hatte, wurde damit erklärt, daß er in seinem eigenen Buch vor kurzem über einen solchen Fall berichtet habe; das sei nur eine desperate Methode, um erneut die Aufmerksamkeit auf seine mißverstandene journalistische Großtat zu lenken.
Sowohl Polizei als auch Gerichtsmediziner waren sich darin einig, daß der Fall als Selbstmord bezeichnet werden müsse, da sonst keine vernünftige Erklärung zu Gebote stehe.
Luigi saß an diesem Sonntagnachmittag lange in seinem Wohnzimmer im Erdgeschoß seines Hauses mit den Fenstern zur Straße und rang mit seinen Gefühlen, in denen sich Schuld, Ekel und Trauer mischten.
Tony Collins war ganz gewiß ein Langweiler gewesen. Er hatte die verrückte Vorstellung gehabt, die organisierten Selbstmorde seien von den nachrichtendienstlichen und Sicherheitsorganen des eigenen Landes arrangiert worden, dem Dienst Ihrer Majestät.
Aus diesem Grund war er tatsächlich zum Opfer eines Komplotts geworden, das nicht nur vom Dienst
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