Im Namen Ihrer Majestät
Meinung, daß die Schimpftirade, die er damit auslöste, vollauf verdient war. Es war das einzige Mal gewesen, daß sie ihm gegenüber die Stimme erhoben oder so etwas wie Aggressivität an den Tag gelegt hatte.
Sofern man ihre Sexualität nicht als durch und durch aggressiv ansah. Sie liebte in einer rasenden Entschlossenheit, wie ein Torpedo, der unerbittlich sein Ziel sucht, die Detonation, und zwar von dem Augenblick an, in dem er abgeschossen worden ist. Doch er bewunderte auch diesen Zug an ihr. Sein lateinischer Anteil wäre vermutlich zu Tode erschreckt gewesen, wäre da nicht auch der schwedische Mann gewesen mit seinen mehr oder weniger wohlerzogenen Ansichten über die Gleichberechtigung der Frau, über die bewundernswerteste Frau, die Männer so behandeln konnte, wie Männer Frauen seit Urzeiten behandelt haben, die ihr eigenes Leben lebte und alles absolut selbständig entschied.
Luigi fragte sich, ob er mit ihr hätte zusammen sein können, wenn er seine eigene Identität gehabt hätte. Die Frage wurde quälend, als sie ihm versicherte, sie habe ihr Leben zerstört, weil sie wegen Geld und Macht geheiratet habe. Sie wolle sich scheiden lassen und mit ihm zusammen ein neues Leben aufbauen.
Luigi glaubte ihr nicht, was möglicherweise vor allem daran lag, daß er mit seiner Identität des Tony Gianelli Schwierigkeiten hatte. Luigis Auffassung zufolge war Tony Gianelli naiver als erlaubt und überdies ein halb durchgedrehter Computerfreak aus Kalifornien, der eine Pizza Napoletana nicht von Michelangelo unterscheiden konnte. Carmen hätte nicht diese vermeintlich unbezwingbare Lust spüren dürfen, sich mit dem jungen Herrn Tony Gianelli als einzigem Fallschirm in die Welt zu stürzen. Dazu war sie viel zu clever und gut ausgebildet. Da sie überdies schön war und eine große erotische Ausstrahlung hatte, hätte sie wie eine Feinschmeckerin unter Männern wählen können, so daß sie diesen Tony Gianelli vernünftigerweise schon nach dem zweiten Versuch hätte fallen lassen müssen. Luigi zog die leicht bizarre Schlußfolgerung, daß er wohl auf sein falsches Ich eifersüchtig war, auf diesen Tony Gianelli.
Sie verführte ihn natürlich wieder, obwohl sie es so sehr in die Länge zog, daß Luigi schon ungeduldig wurde. Vielleicht hatte sie auch das berechnet. Inzwischen hatte sie jede Möglichkeit seines Körpers erforscht. Sie wollte oft Dinge tun, von denen sie versicherte, sie seien ihr mit keinem anderen Mann möglich, ganz besonders nicht mit ihrem angetrauten.
Anschließend erklärte sie fast im Befehlston, sie wolle irgendwo essen gehen, am liebsten irgendwo in Chelsea. Aber natürlich nicht in einem der Lokale, die sie schon gemeinsam besucht hätten. Sie gehe nie zweimal in das selbe Restaurant, erklärte sie nochmals, das liege ganz einfach an dem Risiko von Entdeckung und Tratsch.
Sie schlenderten ein paar Straßenblocks zu ihrem Wagen, fuhren zur King’s Road und stellten das Auto auf einem bewachten Parkplatz ab. Dann betraten sie das erstbeste Restaurant, das einen einigermaßen gepflegten Eindruck machte – wie immer achtete Carmen sorgfältig darauf, den Wagen nicht vor dem Lokal abzustellen.
Sie aßen einfach und tranken Bier zum Essen. Lady Carmen sprach leicht gezwungen und unengagiert von gewissen Plänen zum Kauf neuer Unternehmen, die im Vorstand von General Electric diskutiert worden seien, bis sie bemerkte, daß Luigi fast betont uninteressiert wirkte. Das gehörte zu seiner angenommenen Attitüde: Alles, was mit den Plänen des Konzerns zu tun hatte, ob sie nun wissenschaftlicher oder ökonomischer Natur waren, sei ihm vollständig schnuppe, wie er behauptete. Er sei Techniker mit einem sehr begrenzten Interessengebiet, wenn man von ihr und gutem Essen und Trinken absehe. Wenn Lady Carmen den Versuch machte, mit ihm über Vorstandsbeschlüsse bei General Electric zu sprechen, geriet die Unterhaltung so, als versuchte er mit ihr über Football oder Surfen zu sprechen.
Als sie auf die Armbanduhr sah und zu erkennen gab, daß sie noch irgendwo hin müsse, bot er an, sitzen zu bleiben und die Rechnung zu übernehmen. So würde es einen gemeinsamen Spaziergang in der Öffentlichkeit weniger geben. Sie hatte damit begonnen, ihn mit in diese Richtung zu erziehen, um die Diskretion zu wahren.
Als sie gerade gehen wollte, erwähnte sie gleichsam nebenbei, daß sie das Wochenende frei habe. Sie fragte, ob er sie am Freitagabend oder am Sonnabend sehen wolle.
Nach einigem Zögern
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