Im Namen Ihrer Majestät
fortzusetzen.
»Was uns zu der Frage der Beziehungen zu London bringt«, sagte Jurij Tschiwartschew überraschend direkt, nachdem Carl frisches Holz ins Feuer geworfen hatte. »Denn bei diesem Thema sollten wir schließlich und endlich landen, nicht wahr?«
»Ja«, bestätigte Carl. »Aber du bist derjenige, der entscheidet, mein Freund. Ich kann nur zuhören.«
»Tatjana Simonescu. Wir nennen Sie die Moldavierin«, sagte Jurij Tschiwartschew schließlich. »Vermutlich eine der erfolgreichsten Operationen, die wir seit langer Zeit in England laufen hatten. Solange der Spaß dauerte.«
»Was ist zu Ende gegangen?« fragte Carl vorsichtig und in neutralem Tonfall.
»Sie wurde von ihrer Quelle abgeschnitten«, brummte Jurij Tschiwartschew. »Oder, richtiger gesagt, ihr Mann wurde von jedem Zugang zu interessanten Informationen abgeschnitten. Ihr im Westen seid ja in mancherlei Hinsicht anders als wir. Solange ihr Mann Verteidigungsminister war, hatten wir ständig Zugang zu Informationen, weil er es hatte. Als er den Job loswurde, wurde er über Nacht wertlos.«
»Lady Carmen?« sagte Carl. Er mußte sich zum Feuer umdrehen, um nicht zu verraten, wie sehr ihn die Nachricht erschüttert hatte.
»Ja, genau. So wird sie genannt. Sie glauben, sie sei Spanierin, obwohl sie Rumänin ist«, sagte Jurij Tschiwartschew fast nebenbei. »Eine glänzende Operation, solange sie lief«, fuhr er beinahe traurig fort.
»Was passierte dann?« fragte Carl in einem Ton, als wäre er nur mäßig interessiert; hinter seiner Maske aber schrie er nach dem nächsten Flug nach Moskau. Luigi lag abends nackt mit dem Tod im Bett. Er hatte wahrscheinlich nicht einmal den leisesten Verdacht.
»Tja«, sagte Jurij Tschiwartschew, »das ist eigentlich eine lange Geschichte. Major Simonescu erstattete direkt an Zentral Bericht, natürlich dem höchsten Chef. Ihre Informationen haben mehr als einem General hohe und begehrte Auszeichnungen verschafft. Als sie als Quelle ausgespielt hatte, hätten wir die Operation eigentlich abwickeln müssen. Dann hätte sie sich scheiden lassen und einen neuen Mann finden müssen, was auch immer. Aber leider ist es nicht so gekommen.«
»Was ist statt dessen passiert?« fragte Carl.
»Die Operation veränderte sich drastisch, geradezu idiotisch«, bemerkte Jurij Tschiwartschew mißbilligend. »Die Moldawierin landete auf einem Posten mit sehr gutem Einblick in die britische Rüstungsindustrie. Alles gut und schön.«
»Aber?« fragte Carl vorsichtig.
»Aber die veränderte Situation, der gute Einblick in eine bestimmte westliche Technologie, ließ einige Kollegen glauben, wir könnten einen gewissen technologischen Vorsprung halten oder zumindest verhindern, daß der Feind uns einholt, und zwar durch den begrenzten Einsatz von Sabotage«, seufzte Jurij Tschiwartschew, als erzählte er eine sehr traurige Gesichte.
»Man hat euch durchschaut«, sagte Carl. »Warum nicht die Operation abbrechen und das Personal zurückrufen?«
»Du läßt diese Frage als sehr einfach erscheinen.«
»Richtig. Weil es eine sehr einfache Frage sein müßte. Ich kann den Wert der nassen Operation, zu der das Ganze dann geworden ist, nicht beurteilen. Wenn ihr aber Gefahr lauft, entlarvt zu werden, riskiert ihr eine große wirtschaftliche und politische Katastrophe. Zu der Zeit, als es in diesem Land noch ein Politbüro gab, hätte man euch kaum gestattet, damit weiterzumachen. Es fällt mir jedenfalls schwer, das zu glauben.«
»Wahr. Sehr wahr«, sagte Jurij Tschiwartschew. »Du weißt natürlich sehr gut, wie es früher bei uns funktionierte. Du hast es soeben bewiesen. Das Problem ist, daß es kein Politbüro mehr gibt, es gibt überhaupt keine politische Führung mehr.«
»Abgesehen von einem vom Volk gewählten Präsidenten?« fragte Carl, ohne seinem unausgesprochenen Vorschlag selbst richtig zu trauen.
»Ach was!« sagte Jurij Tschiwartschew. »Zu dem kann man doch nicht mit sensiblen Operationen der raswedka kommen. Das wäre ja noch schöner.«
»Aber jemand muß doch entscheiden, was die raswedka tut«, wandte Carl mit einer steilen Falte auf der Stirn ein. »Sonst geratet ihr doch in eine absurde Situation. Man kann einen Nachrichtendienst doch nicht im luftleeren Raum schweben lassen. Ein Nachrichtendienst muß doch ein Dienst für jemanden sein!«
»Selbstverständlich. So müßte es sein, aber so ist es bei uns nun mal nicht. Wir befinden uns, wie du möglicherweise weißt, obwohl du den Naiven spielst, in
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