Im Namen Ihrer Majestät
sie schon erledigt war. Außerdem würde Luigi endlich mit jemandem über sein persönliches Problem sprechen können, über seine eigentlichen Gefühle für Carmen. Er versuchte sich einzureden, daß es so kommen würde.
Aber eigentlich glaubte er selbst nicht recht daran. Als er zu Hause war, konnte er sich nicht einmal dadurch abreagieren, daß er sein Trainingspensum unten im Keller fast verdoppelte; das war eine Form der Selbstdisziplin, die ihm ohnehin schon in Fleisch und Blut übergegangen war. Jeden Morgen absolvierte er ein Lauftraining, und wenn er abends wieder zu Hause war, folgte hinter zugezogenen Gardinen ein Gymnastikprogramm.
Die Stunden zwischen acht und zehn krochen dahin, wie sehr er sich auch durch Lektüre und sogar durch Fernsehen abzulenken versuchte. Als er sich endlich zu der langen und komplizierten Fahrt zum Connaught in Mayfair begab, fühlte er sich wie befreit. Die Zeit in der U-Bahn verging schnell, da er trotz aller Umwege und Ablenkungsmanöver immerhin beschäftigt war.
Luigi stieg am Piccadilly Circus aus, aber nicht etwa, weil diese U-Bahn-Station am nächsten lag, sondern weil dort ein lebhafter Zugverkehr herrschte und es viele Ausgänge gab, was eine Verfolgung so gut wie unmöglich machte, falls ihn jemand bis dorthin beschattet hatte. Er brauchte eine knappe halbe Stunde, um mit einigen Umwegen zum Hotel zu kommen, und als er die Halle betrat, war es genau 22.59 Uhr.
Da er die Zimmernummer kannte, nickte er den Hotelangestellten nur zu und ging dann zum Fahrstuhl, ohne daß jemand ihn aufhielt; das hatte er inzwischen gelernt: Engländern fehlt es an Selbstbewußtsein gegenüber dem, der genug davon hat, während sie in der umgekehrten Situation zu brüllenden Löwen werden.
Carl öffnete die Tür in dem Moment, in dem Luigi die Hand hob, um den Türklopfer zu betätigen. Carl schien es für selbstverständlich zu halten, daß Luigi pünktlich erschien.
»Komm rein«, sagte er. »Lang time no see. Wie ist es dir inzwischen ergangen?«
»O ja, danke, geht so«, erwiderte Luigi vorsichtig. »Man quält sich so durch, wie es heißt. Tatsächlich sind einige unangenehme Dinge geschehen.«
»Ich weiß«, sagte Carl ruhig und führte Luigi in den Salon.
Er zeigte auf einen Sessel und erklärte, heute abend könne es aus verschiedenen Gründen keinen Wein geben, geschweige denn stärkere Getränke. Er fügte hinzu, daß dieses Etablissement viel zu großartig sei, um etwas so Plebejisches wie das gute englische Bier zu servieren. Carlsberg oder Heineken gebe es jedoch. Er schlage aber Tee vor.
Luigi merkte, daß es nicht die richtige Situation war, sich diesem Vorschlag zu widersetzen, obwohl er es sich nicht erklären konnte.
Als sie eine Zeitlang dagesessen und sich wie Engländer über Belanglosigkeiten unterhalten hatten, erwähnte Carl fast nebenbei, daß er ein längeres Gespräch mit einem Knirps geführt habe, der sich Kincaid nenne.
Luigi lächelte und nickte langsam, um anzudeuten, daß die Bezeichnung »Knirps« reichlich freundlich war. Sie seien nicht gut miteinander ausgekommen, erklärte er, hätten sich manchmal sogar fast gestritten.
Kincaid sei ein zynischer kleiner Scheißkerl, der es fast für einen lustigen Scherz halte, wenn ein unschuldiger Journalist draufgehe, weil eine Falle nachlässig gestellt worden sei.
Kincaid trete auf, als repräsentiere er Ihre Majestät persönlich, doch im Grunde sei er nur ein anonymer Beamter. Überdies ein anonymer Beamter in einer Behörde, mit der man keinen Kontakt habe, deren Kompetenzen und Verantwortungen unklar seien, eine Behörde, die Vergnügen daran finde, am Schreibtisch Journalisten zu ermorden. Es sei schauerlich.
»Und jetzt zu Lady Carmen«, sagte Carl leise und warf einen Blick auf seine Armbanduhr, als hätten sie für ihr Gespräch nicht mehr viel Zeit zur Verfügung; er hatte Luigis Schilderung ruhig und geduldig zugehört und von Zeit zu Zeit zustimmend genickt und gemurmelt, ein paar Stufen höher im Rang sei es kaum anders. Dann fragte er, was es sonst noch zu berichten gebe.
»Was willst du denn wissen?« fragte Luigi vorsichtig zurück.
»Wenn du meine Berichte gelesen hast, kennst du schon alles Wesentliche.«
»Und was steht nicht da?« fragte Carl weich.
»Nun ja«, sagte Luigi zögernd. »Es ist nicht leicht, es zu erzählen. Es wird so privat, so persönlich, und ich meine… man schneuzt es sich nicht einfach so aus der Nase, es einem Vorgesetzten so mir nichts, dir nichts
Weitere Kostenlose Bücher