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Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman

Titel: Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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an Rosa Hebert und ihren blutenden Händen gezweifelt. Gott mochte ihm vergeben, aber er hatte an ihr gezweifelt und sich gefragt, ob sie sich die Wunden nicht selbst zugefügt hatte. Aber er zweifelte nicht an diesem dunklen Anblick vor ihm. Es war Adele, in einer Haltung, die nicht ganz menschlich war.
    Sie rührte sich nicht, dennoch schien sie näher zu kommen. Als er zurückweichen wollte, spürte er den Baum hinter sich. Er musste mutiger sein. Wenn er Angst hatte, würde er ihr nicht helfen können. Aber er hatte Angst. Ein Messer rumorte in seinen Eingeweiden, seine Beine wurden zu Pudding. Aber er wich nicht zurück.
    »Kommen Sie mit mir, Adele. Alle sind hinter Ihnen her. Sie wollen Sie töten. Wenn Sie mit mir kommen, kann ich Sie in Sicherheit bringen.« Seine Worte schienen ihn zu beruhigen. Gott hatte ihn an diesen Ort geschickt. Er war nicht allein. Wenn Gott nicht vorgehabt hatte, dass er Adele half, warum war er dann dazu ausersehen, sie zu finden? Er machte einen Schritt nach vorn. »Sie müssen mit mir kommen. Sie brauchen einen Arzt.«
    Sie bewegte sich unfassbar schnell. Den einen Augenblick war sie noch da gewesen, dann war sie fort. Er hatte sie doch gesehen. Und plötzlich war sie im fahlen Licht verschwunden.
    »Adele?« Er sah sich um, aber die Nacht war hereingebrochen, schwer und finster. Er hatte keine Ahnung, wie lange er schon hier war. Fast war es, als wäre er aus einem Traum erwacht. »Adele?«
    Erst dachte er, er bildete sich das Geräusch nur ein, aber dann war das Kind deutlicher zu hören. Ein gereizter, quengeliger Ton. Kein Angstschrei. Er stapfte durch das Unterholz darauf los, hin zu der Stelle, an der Adele gestanden hatte. Die Schreie des Kindes wurden immer lauter.
    Als er die niedrigen Äste zur Seite bog, erkannte er die kauernde Gestalt eines Kindes. Das kleine Mädchen sah zu ihm auf und stieß einen Entsetzensschrei aus. Sie wollte wegkrabbeln, aber er packte sie am Saum ihres verschmutzten Kleidchens und zog sie zu sich heran.
    »Peat Moss?«, fragte er.
    Beim Klang ihres Namens hörte sie auf, sich zu wehren. »Mama?« Leise begann sie zu weinen. »Mama.«
    Er wiegte sie in den Armen. »Wir bringen dich zu deiner Mama zurück.« Er drückte sich das Kind gegen die Brust und stand auf. In der Ferne erkannte er mehrere Lichter, die auf ihn zukamen. Die Suchmannschaft.
    »Hier herüber!«, rief er. »Hierher!«
    »Das ist der Priester«, rief Praytor Bless, und die Männer wandten sich in seine Richtung.
    »Ich hab das Kind«, rief der Priester, noch immer nicht sicher, ob er wirklich das vermisste Kind in den Armen hielt. »Ich hab es!«
    Der Hund und Praytor brachen durch das Unterholz. »Da will ich doch verdammt sein«, kam es von Praytor, der mit der Taschenlampe Peat Moss ins tränenverschmierte Gesicht leuchtete. »Fehlt ihr was?«
    »Ich glaube nicht«, antwortete der Priester. »Aber das werden wir erst wissen, wenn der Doc einen Blick auf sie geworfen hat.«
    »Wie haben Sie sie gefunden?« Praytor ließ den Blick über das Gelände schweifen, der Hund zerrte an der Leine.
    »Adele. Sie war hier.«
    »Hier? Wie lang ist das her?«
    »Ein paar Minuten.«
    Praytor schob sich an ihm vorbei und ließ den Hund die Fährte aufnehmen. »Schafft das Kind raus. Ihr alle begleitet Vater Finley. Ich werde mir die Teuflin schnappen.«
     
    Florence lenkte den Streifenwagen an den schmalen Graben heran, nur wenige Meter von der Menschentraube entfernt, die sich auf der Straße versammelt hatte. Raymond wollte bereits die Tür öffnen, aber Florence hielt ihn zurück. »Lass dir Zeit. Das Kind ist doch gerade erst zurückgebracht worden.«
    Big Ethel lachte und herzte ihr Enkelkind, deren dunkles Haar zwischen ihren Armen kaum zu erkennen war.
    »Ein Wunder! Gott hat uns ein Wunder geschenkt!« Big Ethel bedeckte das Mädchen mit Küssen.
    Hinter Big Ethel standen Leroy und Aimee, beide streichelten Peat Moss über den Kopf und ihre Arme und Beine und konnten noch immer kaum fassen, was sie vor sich sahen. Der Priester und Jolene hielten sich im Hintergrund. Michael Finley wirkte wie betäubt und sah mehrmals zum Waldrand, als erwartete er, dass noch jemand auftauchte.
    »Sie war keine Meile von zu Hause entfernt«, sagte Florence.
    Es stimmte. Die halbe Gemeinde hatte nach ihr gesucht, dabei war sie so nah gewesen. »Sie hat sich unter einem Busch versteckt.« Raymond wiederholte, was Pinkney ihm erzählt hatte. Der Alte war zu Doc Fletcher gerannt und hatte ihm vom

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