Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman
Florence’ zornige Worte. Sogar Madame hatte ihn darauf hingewiesen, dass er sich selbst zerstörte. War es wirklich einfacher, die Last der Schuld zu tragen, als sich daraus zu befreien? »Schneid mich los.« Er deutete auf die Gewichte. »Dann lege ich die Packung an.«
Ohne mit der Wimper zu zucken, zog Florence das Küchenmesser aus ihrem Schurz. »Unter einer Bedingung.«
Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln. »Du bist ein harter Brocken, Florence Delacroix.«
»Das bin ich.«
»Welche Bedingung?«
»Dass ich dich fahre, egal wo du hin willst. Es gibt ein paar Dinge, die ich dir erzählen muss. Die ich belauscht habe.«
Es gab unzählige Gründe, warum ihn Florence nicht begleiten sollte. Aber sie würde nicht auf ihn hören, deshalb wäre es reine Zeitverschwendung, sie überhaupt darauf anzusprechen. »Abgemacht.«
Die Sonne tauchte unter die Baumwipfel und hinterließ einen nahezu farblosen Himmel. Der Priester ging mit Jolene am Straßenrand entlang und suchte, wie von Sheriff Joe aufgetragen, nach Fußspuren. Der Sheriff hatte die Freiwilligen in drei Gruppen eingeteilt. Eine stand unter seiner eigenen Leitung, eine weitere unter der von Clifton Hebert und die Gruppe des Priesters unter der von Praytor Bless. Sie nahmen sich den südwestlichen Abschnitt der Gemeinde vor, in der Nähe von Adeles Zuhause und nicht weit von der Stelle entfernt, an der Henri Bastion ermordet worden war.
Aus Rücksichtnahme auf Jolene, die aussah, als könnte sie jeden Augenblick umkippen, hatte Praytor sie mit der Aufgabe betraut, die Straßen abzuschreiten und dort nach Spuren im weichen Sand zu suchen. Eine Aufgabe, die höchstwahrscheinlich umsonst war, aber sie musste getan werden. Die anderen Freiwilligen, von härterem Kaliber, befanden sich tiefer in den Sümpfen und rückten systematisch nach Osten vor. Praytor selbst war irgendwo in den Wäldern, ein Spürhund, den er sich vom Gefängnis in Angola geliehen hatte, zog ihn durch die Morast- und Sumpflöcher.
Gelegentlich war das wehklagende Bellen des Hundes zu hören. Der Priester konnte nicht unterscheiden, ob das Tier noch der Fährte folgte oder sie verloren hatte und sich darüber beklagte. Er konnte nur hoffen, dass es nicht Praytor sein würde, der Adele fand – falls sie sich in ihrem Suchabschnitt aufhielt. Denn Praytor Bless, daran zweifelte er nicht, würde sie auf der Stelle umbringen.
»Glauben Sie, dass Marguerite für immer abgehauen ist?«, fragte Jolene.
Der Priester sah sie an. Ihr Erlebnis auf der Bastion-Plantage hatte sie reichlich mitgenommen. Sie wich ihm kaum von der Seite. Mehrere Male, als sie kleine Tiere im Laub aufscheuchten, wäre sie ihm fast in die Arme gesprungen.
»Vielleicht.« Er wechselte das Thema. »Ich hab gehört, Joe will für den US-Senat kandidieren.«
»Deshalb hat er auch seinen Namen ändern lassen. Ist jetzt leichter zu buchstabieren.« Sie hielt mit ihm noch Schritt, obwohl sie immer kurzatmiger wurde.
»Wahrscheinlich hat er damit recht.« Der Priester blieb stehen und untersuchte eingehender, was wie der Abdruck eines Kinderfußes aussah. »Sehen Sie mal!«
Jolene ging neben ihm in die Hocke, ihre Hand schwebte über den Abdruck im feuchten Stand. »Peat Moss?«
Der Priester hatte um ein Wunder gebetet. Wiederholt hatte er Gott angefleht, das Kind zurückkehren zu lassen, ein hilfloses Wesen, das nichts Böses getan hatte. Der Abdruck sah aus wie der eines Kindes, aber er war kein Fährtensucher, und er wollte die anderen nicht aufscheuchen, nur um von ihnen dann ausgelacht zu werden. »Ich hole jemanden, der sich das anschaut. Bleiben Sie hier.«
»Allein?« Jolene sah zu den länger werdenden Schatten, die über die Straße fielen. Die Sonne war noch tiefer gesunken, ihr roter Schein schimmerte mittlerweile zwischen den nackten Baumstämmen. Der Himmel leuchtete rot-orange und färbte sich im Osten dunkelviolett. Bald würde die Nacht hereinbrechen.
»Ich muss in den Sumpf. Wollen Sie nicht lieber hier warten? Die Stellung halten?«
Jolene sah in den Sumpf, dann zum Priester. »Ich hab Angst.«
Er bemühte sich, seine Ungeduld zu verbergen. »Ich werde nicht weit gehen. Nur, bis ich jemanden finde. Dann komme ich sofort zurück. Wenn Sie rufen, werde ich Sie hören.«
»Was, wenn sie aus dem Wald kommt? Wenn sie uns jetzt beobachtet und nur auf eine Gelegenheit wartet?« Mit jeder Frage wurde ihre Stimme schriller. »Was, wenn …«
Er fasste sie an beiden Armen. »Sie machen
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