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Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman

Titel: Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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ihn verhauen?«, fragte Caleb belustigt.
    »Mir wäre es lieber, wenn es nicht nötig wäre, aber, ja, das werde ich tun.« Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Wenn es erforderlich wäre, zur Tat zu schreiten, dann wollte er es umgehend tun. Schließlich waren sie Kinder. Was sich Henri dabei gedacht hatte, ihnen solch ungebührliches Verhalten Erwachsenen gegenüber durchgehen zu lassen, war ihm unbegreiflich. Das Schicksal, das ihnen bevorstand, wenn Marguerite sie wegschickte, würde sie nur noch mehr Grausamkeit lehren.
    Fragend sah Nathaniel zu seinem Bruder. Caleb trat mehrmals gegen das Tischbein.
    »Ich möchte mit euch beiden reden«, sagte der Priester schließlich. »Es ist wichtig.«
    »Was bekommen wir, wenn wir reden?«
    Er dachte nach. Dies wäre eine Gelegenheit, Colista ein wenig zu entlasten, was sie bitter nötig hatte. »Eiscreme. Wir gehen zum Drugstore und lassen es uns gutgehen. Aber erst müsst ihr ein paar Fragen beantworten. Wichtige Fragen.«
    Die Jungen wurden ruhiger. »Wir können es uns selbst aussuchen?«, fragte Caleb.
    »Natürlich.« Der Priester war entsetzt. Es klang fast so, als hätten sie nie Eis bekommen. Ihr Vater hatte in der ganzen Gemeinde das Sagen gehabt, aber das Versprechen auf ein Eis bewirkte bei ihnen anscheinend mehr als jede Androhung körperlicher Züchtigung.
    »Was wollen Sie wissen?« Caleb wollte das Gespräch ganz klar an sich reißen.
    »Eure Mutter hat gesagt …« Er musste es vorsichtig formulieren. Marguerite hatte eigentlich gar nichts gesagt, sie hatte nur einiges angedeutet. »In der Nacht, in der euer Vater starb, wo ist er da hingegangen?«
    Nathaniel griff sich seinen Löffel und begann damit auf den Tisch zu schlagen. Der Priester beachtete ihn nicht und konzentrierte sich auf Caleb. »Erzähl mir alles, woran du dich in dieser Nacht erinnerst.«
    »Er ist zum Schuppen gegangen.« Caleb trat gegen den Tisch. »Der loup-garou hat ihn sich geholt.«
    »Welcher Schuppen? Was hat er da gemacht?«
    »Zum Traktorschuppen. Da ist er manchmal hin.«
    »Warum?« Der Priester lockerte ein wenig seinen Griff um die Stuhllehnen.
    »Da hat er sich mit ihr getroffen. Der bösen Frau. Da haben sie es gemacht.« Caleb sprach es mit völlig ungerührter Miene, was seine Enthüllung für den Priester noch schockierender machte.
    »Euer Vater hat sich mit einer Frau getroffen?«
    »Hab ich doch gesagt.« Caleb sah ihn an.
    Der Priester spürte, wie er die Nerven zu verlieren drohte, aber er musste jetzt fest und sicher auftreten. »Sie hatten da im Traktorschuppen ein, äh, intimes Verhältnis?«
    Caleb nickte. In der Küche zerbrach etwas. Er hörte Colista einen Rosenkranz murmeln. Schweiß lief ihm über den Rücken. »Und er hat sich in der Nacht, in der er gestorben ist, mit dieser Frau getroffen?«
    Caleb packte den Salzstreuer und verschüttete das gesamte Salz auf der Tischdecke. Er sah zu seinem Bruder. Beide lachten.
    Der Priester empfand plötzlich Mitleid mit ihnen. Henri hatte sie um ihre Kindheit betrogen. Er hatte ihnen alles durchgehen lassen, hatte ihnen erlaubt, Dinge mitzubekommen, die nur für Erwachsene bestimmt waren, und ihnen damit ihre Unschuld geraubt.
    Er räusperte sich. »Als Henri … in dem, äh, Schuppen fertig war, was hat er dann gemacht?«
    »Er ist spazieren gegangen. Wie jede Nacht. Hat seinen Hut aufgesetzt und ist die Straße runter. Manchmal sind wir ihm nachgeschlichen.« Caleb verlor das Interesse an der Unterhaltung. Er sah zu seinem Bruder. »Kann ich eine doppelte Portion haben?«
    »Ja, nur ein paar Fragen noch.« Der Priester wollte der Sache auf den Grund gehen. Die Jungen hatten Dinge erlebt, die ihnen unwiderruflichen Schaden zugefügt hatten. Henri hatte seine Kinder nicht behütet. Jetzt verstand er Marguerites Empörung. Trotzdem, sie schien angedeutet zu haben, dass ihre eigenen Söhne sogar ihren Vater getötet haben könnten. Zu sagen, er wäre deshalb besorgt, wäre eine schlichte Untertreibung gewesen.
    »Na los, Vater Michael. Ich will zum Drugstore«, sagte Nathaniel. »Ich hab Hunger.«
    »Wir beeilen uns.« Wieder räusperte er sich. Als er mit dem Sheriff telefonierte, hatte dieser ihn gebeten, so viele Informationen wie möglich zu beschaffen. »Ist euer Vater immer den gleichen Weg gegangen?«
    »Ja, runter zum Beaver Creek. Wenn er im Schuppen fertig war, ist er losmarschiert, als hätte er Ameisen in den Schuhen.«
    »Und er ging immer zum Beaver Creek?«
    »Manchmal sind wir ihm

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