Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman
Peat Moss ist noch am Leben?«
Sein Griff um das Lenkrad verstärkte sich. »Ich weiß es nicht.«
»Raymond«, fragte sie, »warum fahren wir nach Baton Rouge?«
»Hab dort was zu tun.«
Er war nie besonders redselig, aber jetzt stand sein Schweigen wie eine Mauer zwischen ihnen. »Warum hast du mich gebeten, mitzukommen, wenn es um etwas Offizielles geht?«
Er seufzte. Er löste eine Hand vom Steuer, schien sie berühren zu wollen, zog sie dann wieder zurück. »Hast du mal was von einem Typen namens Armand Dugas gehört? Hat in Baton Rouge gearbeitet.«
Die Frage traf sie eiskalt, und ihre Wunschträume über ein Leben mit Raymond in Baton Rouge waren mit einem Schlag zunichte. »Der Armand Dugas, der lebenslänglich bekommen hat?«
»Ja.«
»Du hast mich mitgenommen, damit ich dir helfe, einen Zuhälter aufzuspüren?«
»Ja.« Er sah sie nicht an.
Sie starrte aus dem Fenster. Das offene Marschland lag nun hinter ihnen. Sumpfzypressen drängten sich an die Straße, ihre Äste waren mit Moos und Kletterpflanzen bewachsen. Seit einigen Meilen war ihnen kein Fahrzeug mehr entgegengekommen.
»Hast du von ihm etwas gehört?«, fragte Raymond.
»Nein.« Sie blinzelte die Tränen fort, dann wischte sie sich über die Wange. Ihre Finger fanden die dünne Wulst ihrer Narbe. Ehrlicherweise musste sie sich eingestehen, dass Raymond mit keinem Wort angedeutet hatte, es könnte sich um einen Privatausflug handeln. Sie wusste, sie befanden sich in einem Streifenwagen, es ging ausschließlich um seine Arbeit. Obwohl sie so stolz war auf ihren Sinn fürs Praktische und ihren mangelnden Hang zur Schwärmerei, durchfuhr sie jetzt der sengende Schmerz, enttäuscht und hintergangen worden zu sein.
Er berührte sie, fuhr mit den Fingern über ihre Hand und hielt sie fest. »Florence, ich wollte dich nicht kränken. Ich hätte es erklären sollen.«
»Aber du hattest Angst, ich würde nein sagen.«
Er antwortete nicht. Natürlich hatte sie recht. Ihr Kiefer schmerzte, so sehr knirschte sie mit den Zähnen. »Warum ist dieser Armand Dugas so wichtig?«
»Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, er kann einiges über Adele Hebert erzählen.«
»Denkst du auch noch an etwas anderes als Adele Hebert?« Sie drehte sich ihm zu. »Was ist mit dem Kind? Du schaffst mich nach Baton Rouge, während das kleine Mädchen immer noch vermisst wird. Was ist mit ihr? Warum meinst du nur Adele beschützen zu müssen?« Wut und Verletzung schwangen in ihren Worten mit.
Ihr Ausbruch überraschte ihn, was ihren Zorn nur noch mehr entfachte. »Meinst du, die Leute reden nicht? Alle erzählen sich, du hättest Adele Hebert aus ihrer Zelle geholt und im Sumpf versteckt, damit sie für ihre Tat nicht zur Rechenschaft gezogen wird. Man sagt, sie hätte dich verzaubert.«
»Wer sagt das?«
»Die Männer, die mich für ihr Vergnügen bezahlen, das ich ihnen bereite.« Sie hoffte ihn mit ihren Worten zu verletzen. Für ihn war sie nur eine Hure mit nützlichen Verbindungen; sie würde ihm zeigen, über welche Verbindungen sie verfügte.
»Sie irren sich.«
»Wo ist Adele Hebert? Diese Frage stellt sich jeder, Raymond. An Halloween hast du mir erzählt, sie sei weggelaufen. Die Leute in der Stadt glauben, sie wäre bei dir. Hast du sie versteckt?«
Raymond legte wieder beide Hände ans Steuer. »Nein. Ich wünschte, ich hätte es getan. Vielleicht liegt Adele tot in den Sümpfen. Wirst du mir helfen?«
Sie drehte sich von ihm weg. »Hab ich eine andere Wahl?«
»Bei mir immer.«
17
it geübter Fingerfertigkeit schob Chula die Briefe in die einzelnen Fächer. Bei Madame hatte sie niemanden angetroffen, deshalb hatte sie die Schüssel mit den Kräutern einfach auf der obersten Verandastufe abgestellt und eine Notiz hinterlassen. In Sorge um Madame und Adele war sie anschließend in das Chaos des Postamts zurückgekehrt.
Claudia neben ihr nestelte umständlich an jedem Brief herum, den sie anfasste. Sie befand sich ganz augenscheinlich in einem schrecklichen Zustand. Der Grund dafür war nicht schwer zu erraten.
»Hast du mit Mrs. Lanoux geredet?«, sprach Chula sie an.
Claudia ließ bei der Frage einen Stapel Briefe fallen, die sich über die Holzdielen verteilten. Als sie sich hinunterbeugte, um sie aufzuheben, begann sie zu schluchzen. »Ich war dort, aber …« Sie presste das Gesicht gegen die Knie, kauerte sich wie ein kleines Kind zusammen und weinte.
Chula kniete sich neben sie, sammelte die Briefe
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