Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman
nachgeschlichen. Wenn er in den Schuppen ging, hat uns Mama aus dem Haus ausgesperrt.« Er zeichnete mit dem Finger Muster in das Salz auf dem Tisch. »Sie sagt, wir sind Söhne des Teufels und wir hätten in ihrem Haus nichts verloren. Daddy hat uns dann reingelassen, wenn er zurückgekommen ist.«
»In der Nacht, als euer Vater starb, da seid ihr ihm auch gefolgt?«
»Ja.« Caleb lachte.
Die Hintertür wurde zugeknallt. Colista musste wohl gelauscht und sich jetzt auf und davon gemacht haben. Wenn die Jungen den blutigen Mord an ihrem Vater beichteten, dann wollte sie es nicht hören.
»Was habt ihr gesehen?«, fragte der Priester mit leiser Stimme.
»Wir haben Daddy schreien gehört.« Caleb verpasste seinem Bruder einen so festen Schlag, dass dieser vom Stuhl fiel. Nathaniel begann auf dem Boden zu brüllen.
Der Priester packte Caleb am Arm, drückte ihn gegen die Tischoberfläche und zwang ihn, ihm zuzuhören. »Was habt ihr gesehen?«
Caleb schlug nach dem Kopf seines Bruders, aber der Priester fing den Schlag ab. Er verstärkte den Griff um den Arm des Jungen. »Sag mir, was ihr gesehen habt.«
»Ich hab die Wolfsfrau gesehen, die ist aus dem Wald gekommen, sie hat gekeucht und gesabbert und ist ihm dann auf den Rücken gesprungen. Als er gestolpert und auf den Boden gefallen ist, hat sie ihm die Kehle aufgeschlitzt. Sie war auf Händen und Knien und hat geknurrt, und das Blut ist ihr runtergelaufen.« Caleb trat so fest gegen den Tisch, dass das Geschirr klirrte. »Ich hab nicht gewusst, dass Daddy so schreien kann.«
18
it dem Notizblock in der Hand verließ Raymond das Rathaus in Baton Rouge. Die Gerichtsunterlagen über Armand Dugas bestätigten, was Daniel Blackfeather ihm erzählt hatte. Der Staat hatte Anklage wegen Mordes erhoben, ohne dass es eine Leiche gegeben hätte – oder irgendwelche Beweise, dass die angebliche Tote Aleta Boudreaux jemals existiert hätte. Die Unterlagen über das nachfolgende Schicksal des Häftlings waren haarsträubend. Es gab die Anweisung des Richters, Dugas zur Verbüßung seiner lebenslangen Haftstrafe – die 1940 begann – nach Angola zu schicken. Es gab keinerlei Einträge über eine mögliche Berufung oder irgendwelche andere Aufzeichnungen zum Gerichtsverfahren. Lediglich die Dokumente zu Dugas’ Überführung ins Staatsgefängnis; nichts über seinen Arbeitseinsatz für die Bastions.
Dugas’ Spur endete laut den gerichtlichen Unterlagen auf der siebentausend Hektar großen Gefängnisfarm am Mississippi. Raymond hatte nicht den geringsten Zweifel, dass das der Ort war, an dem sein Leben hätte zu Ende gehen sollen. Die Männer, die verantwortlich waren für seine Überstellung, hatten erwartet, dass Dugas in einem der Hunderte anonymen Gräber auf dem Gefängnisfriedhof landen würde. Aber der Zuhälter war schlauer gewesen als gedacht; Raymond glaubte mittlerweile, dass Armand Dugas noch am Leben war.
Auf dem Weg zum Wagen überkam ihn die Reue. Er hatte Florence verletzt. Er hatte keinen Gedanken daran verschwendet, dass sie seine Einladung, mit ihm nach Baton Rouge zu fahren, falsch auffassen könnte. Abgesehen von den wenigen Stunden, die er mit Florence verbrachte, drehte sich sein gesamtes Leben nur noch um die Arbeit. Er war so darauf fixiert, Adele zu finden, bevor es jemand anderes tat, dass er sich nicht weiter um Florence’ Gefühle gekümmert hatte. Er hatte sie zur Fahrt nach Baton Rouge eingeladen, weil er einfach nicht wusste, wie er es hätte sonst anstellen sollen, dass sie ihm mit ihren Kontakten bei der Suche nach einem Zuhälter behilflich war.
Sie hatte sich noch nicht mal zu ihm umgesehen, als er sie in der River Street, wo die besseren Nachtclubs lagen, abgesetzt hatte. Er sah auf seine Uhr. Sie hatten vereinbart, sich um vier Uhr wieder zu treffen.
Er fuhr durch das Geschäftsviertel der Hauptstadt mit den stattlichen Gebäuden, in denen die Anwälte ihren Geschäften nachgingen. Der Krieg hatte ihm seine Naivität ausgetrieben und ihn gelehrt, dass die Männer an der Macht sich nie darum scherten, wie verheerend ihr Vorgehen für die Armen und Schwachen war. Aufgrund der Ölfunde in den Küstengewässern des Golfs war die Gemeinde Iberia in den Mittelpunkt des politischen Interesses gerückt. Henri Bastion hatte Iberia auf eine Art und Weise beherrscht, die von den meisten Einwohnern gar nicht erfasst wurde. Sie sahen nur die Bastion-Plantage und wussten, dass er wohlhabend war, doch die
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