Im Netz der Angst
kriminelle Karriere die Hausschlüssel Ihrer Kunden anvertraut haben. Haben Sie ihr gleich auch noch eine kleine Karte mitgegeben, auf der Sie verzeichnet hatten, wo sie die Scheckbücher und Kontoauszüge finden konnte? Oder musste sie die allein aufspüren?«
Bradley schüttelte den Kopf, und die leichten Hängebacken bebten dabei. »Sie verstehen nicht. Lois ist kein schlechter Mensch. Sie ist ein paar Mal in eine ziemlich blöde Lage geraten, und sie hat es sich ein wenig zu leicht gemacht, da wieder rauszukommen. Ich kannte sie schon als kleines Kind. Das war immer ihre Art, sich durchzumogeln, aber das Gefängnis war ihr eine Lehre. Dort hat es ihr nicht gefallen. Sie sagte, es sei die Hölle auf Erden.«
»Sie hat also gelernt, dass sie sich nicht noch mal erwischen lassen darf«, sagte Josh. »Keine Gefängnisstrafe mehr für sie.«
»Genau«, erwiderte Bradley rasch. »Sie hasste den Knast. Sie wollte im Leben nie wieder dort rein.«
»Vielleicht war sie dermaßen entschlossen, nicht wieder einsitzen zu müssen, dass sie dafür sogar gemordet hätte«, kommentierte Elise mit gefährlich sanfter Stimme.
Bradley machte es ihr viel zu einfach, es war beinahe grausam, das mit anzusehen. Als ob eine Katze mit einer dreibeinigen Maus spielen würde.
»Nein, nein!«, protestierte Bradley. »Ich sage Ihnen doch, Sie verstehen das ganz falsch. Lois würde so etwas niemals tun! Sie konnte keiner Fliege etwas zuleide tun. Sie war diejenige, die immer die Spinnen eingefangen und draußen freigelassen hat, anstatt sie zu zerquetschen. Das hat die anderen Kollegen manchmal echt wahnsinnig gemacht.«
Josh hätte beinahe laut losgeprustet. Er wusste, dass Spinnen für Elise das bedeuteten, was für Indiana Jones Schlangen gewesen waren. Sie würde so einem Viech eher eine mit ihrer Pistole verpassen, als es in einem Raum mit sich zu dulden.
»Ehrlich«, sagte Bradley ganz überzeugt. »Lois würde nichts dergleichen tun. Das weiß ich. Sie müssen mir glauben!«
Niemand wollte wahrhaben, dass sich ein Bekannter oder Verwandter in einen eiskalten Killer verwandelt hatte. Keine Mutter hielt den eigenen Sprössling für einen Vergewaltiger, einen Dieb oder einen Mörder. Aber irgendjemandes Kind hatte diese Tat hier begangen und Gefallen daran gefunden. Wenn das mal kein ungezogenes Kind war!
Elise schob Bradley einen Schreibblock zu. »Das muss uns Lois persönlich sagen. Könnten Sie uns die Namen einiger Freunde oder Verwandten aufschreiben, zu denen sie vielleicht geflüchtet ist?«
Bradley griff nach dem Block und dem Stift, als hinge sein Leben davon ab.
Aimee begann mit der langwierigen Aufgabe, Taylors Akte für Dr. Brenner zu kopieren. Sie sah zu, wie die ersten Seiten mit einem ratternden Geräusch durch die Maschine gezogen wurden, dann blätterte sie die Notizen von ihrem zweiten Treffen mit Taylor durch. Es war ein stürmischer Tag gewesen: windig, kalt und grau. Taylor hatte eine alte Armeejacke getragen, die schon bessere Tage gesehen hatte, dazu eine Jeans, in der ihre Beine dünn wie Pfeifenhälse ausgesehen hatten.
»Wie geht’s?«, hatte Aimee gefragt.
»Gut«, lautete Taylors missmutige Antwort.
»Taylor«, erwiderte Aimee dann.
Taylor hatte nur stumm auf ihre Hände gestarrt.
»Schau mich bitte an.«
Das Mädchen hatte einen so tiefen Seufzer ausgestoßen, dass der gesamte Mittelwesten darin hätte versinken können, aber es hatte aufgeblickt. Jedenfalls kurz. »Was?«
»Müssen wir da jetzt jedes Mal durch? Fangen wir immer wieder ganz von vorn an, wenn du zu mir kommst?«, hatte Aimee über die auf dem Schreibtisch verschränkten Arme hinweg gefragt.
Da hatte Taylor ein Lächeln nicht länger unterdrücken können. »Schätze nein.«
Aimee hatte zurückgelächelt. »Nun, da bin ich aber erleichtert. Also, erzähl mir von deiner Woche.«
Daraufhin hatte Taylor zu Aimees Überraschung eine lange und detailreiche Schilderung der Highschool-Hierarchien mit ihren wechselnden Beziehungsgeflechten vom Stapel gelassen. Sie hatte so schnell sie konnte mitgeschrieben und gehofft, dass sie all die Namen und Verbindungen richtig mitbekommen hatte. »Und wie fühlst du dich dabei?«, hatte sie gefragt, sobald Taylor fertig gewesen war.
»Ich weiß nicht.« Taylor schüttelte den Kopf. »Ich blicke da nicht durch. Keine Ahnung, warum die sich so verhalten.«
Aimee hatte gelacht. »Ich denke, so geht es den meisten von uns, wenn wir an die Highschool-Jahre zurückdenken. Ich kann mir bis heute
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