Im Netz der Angst
der Stühle.
Aimees Puls ging schneller und sie runzelte in Anbetracht dessen die Stirn. Ja gut, er sah umwerfend aus. Aber das war noch lange kein Grund, sich mit einem Polizisten einzulassen – das wäre einfach zu klischeehaft.
»Vielen Dank, dass Sie gekommen sind.« Aimee ging auf ihn zu, sie konnte es gar nicht erwarten, endlich zu Taylor zu kommen.
»Danke für Ihren Anruf.« Er lächelte zu ihr herunter.
Sie starrte in seine dunklen Augen und sofort geriet ihr Blut in Wallungen. Eine so starke Verbindung hatte sie lange nicht mehr zu jemandem gespürt. »Ich hatte Hintergedanken«, sagte sie.
Nämlich den, ihre Patientin zu sehen, und nicht, in diese dunklen Tiefen zu starren oder sein markantes Kinn zu bestaunen. Sie könnte wetten, dass Brenner Josh zu Taylor durchlassen würde.
»Dachte ich mir. Sind Sie so weit?« Er lächelte und wies auf den Empfangsschalter.
Aimee nickte. Als er sie am Ellbogen berührte, kroch ihr ein Schauer den Arm hinauf. Sie trat zur Seite. Dieser Kerl lenkte sie zu sehr ab! Wenn sie Taylor helfen wollte, musste sie sich konzentrieren.
»Ich bin Detective Wolf. Ich bin hier, um Dr. Brenner zu sehen«, sprach Josh durch das runde Metallgitter.
Die Frau auf der anderen Seite schob ein Klemmbrett mit einem Formular durch einen Plexiglas-Schlitz und knipste ihr Mikrofon an. »Ich werde ihm sagen, dass Sie hier sind.« Dann schaltete sie das Mikrofon wieder aus und griff zum Hörer.
Josh und Aimee trugen sich beide in die Besucherliste ein und warteten, bis jemand sie abholen kam. Die Pflegerin, die sie zu Dr. Brenners Büro im ersten Stock führte, war eine kleine Frau mit rundlichem Gesicht, fahlem Teint und glattem schwarzem Haar, das sie zu einem strengen Dutt zusammengenommen hatte.
Die Frau klopfte an eine in die dunkelblau gestrichene Wand eingelassene Eichentür, und der Doktor bat sie, einzutreten. Dann öffnete sie die Tür.
»Herein, herein«, drang erneut seine Stimme aus dem Büro.
Die Pflegerin trat beiseite, und Aimee und Josh betraten das Büro.
Dr. Brenner war groß, hager und blass, was wirklich eine Seltenheit in Kalifornien darstellte, wo sich die Haut schon beim kurzen Gang zum Wagen Farbe holte. Er sah vollkommen überarbeitet aus, wie er so vor ihnen stand. Unter den müden Augen zeichneten sich große, tiefviolette Ringe ab, und ihm standen die Haare ab, als hätte er sie sich gerade erst vor Sorge gerauft.
Wolf machte es sich in einem der Stühle vor Brenners Schreibtisch gemütlich, schlug die langen Beine übereinander und lehnte sich zurück. Hielt er sich bewusst im Hintergrund oder wollte er sich bloß nicht in die Karten schauen lassen, fragte sich Aimee. Sie hatte keinerlei Zweifel daran, wer von den beiden bei einem Hahnenkampf gewinnen würde. An dem nervös zuckenden Adamsapfel von Dr. Brenner konnte sie ablesen, dass ihm das ebenfalls deutlich bewusst war.
»Vielen Dank, dass Sie uns empfangen, Dr. Brenner. Ich werde es kurz machen. Wir müssen Taylor Dawkin sehen«, fiel Josh gleich mit der Tür ins Haus.
Brenner setzte sich ein wenig verunsichert. Aimee konnte es ihm nachfühlen. Zwar war dies hier sein Büro, dennoch hatte Josh innerhalb von Sekunden die Autorität im Raum für sich beansprucht. »Wir?«, fragte Brenner.
Aimee beugte sich vor und streckte ihm die Hand hin. »Ich bin Dr. Gannon. Wir haben telefoniert.«
Brenners Mund wurde schmal. »Und ich kann mich gut erinnern, Ihnen klar und deutlich gesagt zu haben, dass ich es sehr zu schätzen wüsste, wenn ich Einblick in Ihre Akten bekommen dürfte, jedoch zum Wohle Taylors davon absehe, dass sie mehr als einen Therapeuten gleichzeitig sieht. Sie ist bereits verwirrt und verängstigt. Sie braucht ein stabiles Umfeld.«
Wolf blieb entspannt sitzen. »Es geht hier nicht unbedingt um das Wohl von Taylor, Doktor. Wir ermitteln in einem Mordfall. Dr. Gannon steht der Polizeibehörde von Sacramento in beratender Funktion zur Seite. Sie verfügt über wertvolle Einsichten in die Familiendynamik der Dawkins, insbesondere, was Taylor betrifft. Wir müssen sie da reinbekommen, und zwar noch heute.«
Brenner räusperte sich. »Nun, wenn dem so sein sollte, werde ich …«
»Ich versichere Ihnen, dass dem so ist .« Wolf war nicht einmal laut geworden, dennoch zuckte Brenner zurück.
»Na gut.«
Aimee und Josh standen gleichzeitig auf. »Herzlichen Dank, Doktor«, sagte Josh.
Aimee legte ein Paket auf den Schreibtisch. »Das sind die Kopien meiner Akte über Taylor. Ich
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