Im Netz der Meister 2
Abendrobe vor ihrem Schlafzimmerspiegel. Die Bilder, die in Lulus Wohnung entstanden waren, interessierten Simone besonders. Sie fand, man könnte sich ein kompletteres Bild von einer Person machen, wenn man nicht nur ihre Schuhe und Outfits, sondern auch ihre Wohnungseinrichtung kannte. Lulu war weiß eingerichtet: weißes Sofa, weißes Bett, weiße Fliesen, weiße Wände. Wenn sie davor posierte, wirkte das Platinblond ihrer Lockenmähne noch edler. Die Fotos, auf denen Lulu sich nackt zeigte, bekamen besonders viele Kommentare, denn ihre extrem langen Schamlippen, die in manchen Positionen als Eyecatcher von allen anderen Details ablenkten, animierten viele männliche User zu anzüglichen Postings. Einer fragte, ob das da zwischen ihren Beinen eine fleischige Motte sei, einer fand alles zu nackt und zu offen, etliche schrieben nur »Geil!« oder »Lecker!« und einige stellten sich die langen Lippen noch länger vor, nämlich mit Gewichten behangen. Einer wollte gern seine Hand zwischen die »Schamlumpen« schieben und ein anderer wollte alles ordentlich zur Seite klappen und den Blick auf das »Innere der Artischocke« freilegen. Der, der die Schamlippen als »Pansenlappen« bezeichnete, wurde von den anderen Usern ritterlich beschimpft. Diese Bilder waren mehrfach Tagesgespräch im Forum, auch Simone und Ute unterhielten sich über Lulus Schamlippen.
»Die Kommentare der Männer sind ekelhaft, sexistisch und ordinär«, schrieb Ute.
»Nein. Wer so was Auffälliges so in Szene setzt, muss mit solchen Kommentaren leben«, fand Simone. »Sie will doch, dass man ihre Fotos ansieht.«
Lulus Profil war zu entnehmen, dass jemand sie kürzlich sehr verletzt, sehr belogen und sehr betrogen hatte, dass sie wie ein Phönix aus der Asche gestiegen und nun genug gereift sei, und sich neuen Herausforderungen sehr engagiert stellen könnte.
Jeder, der das Forum zum zweiten Zuhause gewählt hatte kannte Lulu und den König. Dessen Bilder waren nun aus Lulus Galerie verschwunden, und der Partnerlink war ebenfalls entfernt.
Als der König Simone anschrieb, wusste sie also schon, wie er aussah, welches Auto er fuhr, wen er gerade verlassen hatte und wie groß Brüste, Schamlippen und Schuhsammlung seiner Ex-Sub waren. König Hans-Dieter wusste nicht, dass Simone sein Profil kannte, und genoss offenbar ihr Interesse.
Nach wenigen Tagen wechselten sie fast stündlich eine Mail, plauderten darin über Neigungen und Wünsche; der König wollte offensichtlich keine Zeit verlieren und kam mit seinen Fragen schnell zur Sache. Schließlich sei er ein Dom und wisse, was er wolle.
Man müsse den Begriff »Dom« natürlich erst mal exakt definieren, meinte Simone neckisch, und der König schrieb: »Paragraf eins, Madame: Ein Dom ist ein Dom ist ein Dom.«
Simone grinste vor sich hin. Wenn Hans-Dieter nicht mit der schönen Lulu zusammen gewesen wäre, hätte sie ihn gleich in die »Kategorie Spinner« eingeordnet, aber wenn eine tolle Frau wie sie ihn genommen hatte, dann musste an dem Typen was dran sein.
Der König wollte mit ihr telefonieren, aber Simone lehnte ab. Sie würde ihm nicht spielen, wozu also die Telefonnummer preisgeben? Mit ihm zu flirten machte Spaß, aber er war kein Mann, den sie aus der virtuellen Welt in die reale holen wollte. Hans-Dieter kämpfte königlich, er schrieb, dass er Simones Angst sehr gut verstehe. Ihre Zurückhaltung ehre sie und zeige ihm, dass sie keine leichte Beute und nicht für jeden zu haben sei. »Du bist eine schöne und starke Frau. Du hast einen anspruchsvollen Beruf, darin arbeitest du wie ein Mann. Du bist allein erziehend, das kostet Kraft. Dann hast du irgendwann gemerkt, wie wichtig es für deine Sexualität und deinen Seelenfrieden ist, dass ein richtiger Mann sich um dich kümmert. Es ist schwer, Single zu sein und Kinder großzuziehen, und ich achte das hoch. Wenn nun aber ein Mann kommt, der dir anbietet, dich vielleicht aus deiner Not zu erlösen, dann solltest du diese Chance nicht ungenutzt lassen.«
Simone war perplex. Der tickte doch nicht ganz richtig! Allein erziehend? Erlösen? In ihrem Profil war Gerald alias Rule als Ehepartner, Partner und Top verlinkt. Simone fragte den König, ob er diese Links nicht gesehen habe. Er antwortete: »Natürlich habe ich das gesehen. Aber ich gehe davon aus, dass Rule ein Fake ist, damit du nicht so oft angesprochen wirst. Wenn er real wäre, wärst du nicht im HLF. Eine, die mir gehört, hat sich übrigens nicht in einer Community
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