Im Netz der Meister 2
Domina«, lachte Simone. »Ich möchte wetten, die sieht das völlig anders. Und was, denkst du, suchen die Männer?«
»Na, Macht über die Frau. Macht, die sie im Alltag schon lange nicht mehr haben. Ich sag ja nicht, dass alle zu der alten Rollenverteilung zurück möchten. Die dominanten Frauen und die unterwürfigen Männer sicher nicht, aber die anderen eben schon, und BDSM gibt ihnen die Möglichkeit, das wenigstens spielerisch mal auszuleben.«
Simone dachte lange über dieses Gespräch nach. Hatte sie an BDSM mehr als nur der sexuelle Kick gereizt? Sehnte sie sich insgeheim auch danach, eine kleine schwache Frau sein zu dürfen, mit einem starken Mann an ihrer Seite, der sie beschützte, für sie sorgte und ihr alle Verantwortung abnahm? Suchte sie auch einen Leitwolf, nicht nur fürs Spiel, sondern fürs Leben? War sie es in Wahrheit einfach nur satt gewesen, immer stark sein zu müssen? Immer alles managen zu müssen, den Laden, den Haushalt, die Kindererziehung, die Beziehung?
Bevor sie den Gedanken zu Ende denken konnte, klingelte ihr Handy. Julia hatte ihren Schlüssel vergessen und wollte gleich vorbeikommen.
Sie überredete Gerald, zu einer Party in Köln zu gehen. Er wollte zuerst nicht. »Ich habe keine Lust auf schwitzende, behaarte Bierbäuche unter Lederwesten und faltige, rot geschlagene Ärsche fremder Weiber«, sagte er mürrisch.
»Es geht nicht ums Sehen oder Zusehen, Gerald. Es geht um uns. Vielleicht finden wir auf einer Party endlich mal wieder den Dreh für uns. Oder danach. So wie in Hamburg im Hotel.«
Er willigte schließlich ein, und Simone meldete sie für den nächsten Samstag zur »Play Party« in Köln an. Dass er so offensichtlich keine Lust hatte und nur ihr zuliebe zugestimmt hatte, verletzte sie. Mit Anna hatte er eine Session gewollt, bei ihr zierte er sich.
Warum? Sie fragte ihn nicht und versuchte, sich auf die Party zu freuen. Vielleicht war die Stimmung dort so animierend, dass sie ein Spiel haben würden.
Am Samstag legte Simone sich nach Feierabend eine Stunde hin, sie wollte vorschlafen, falls es spät werden würde. Dann trug sie eine Gesichtsmaske auf, ging in die Badewanne, rasierte sich gründlich, lackierte sich die Nägel. Kirschrot. Sie hörte laut Musik, Queen, Leonard Cohen, Annett Louisan. Zögernd stand sie vor dem Kleiderschrank. Stiefel oder Pumps? Halterlose oder Strapse? Mieder oder Korsage? Kleid oder Rock? Haare offen oder hochgesteckt? Simone entschied sich für ein schwarzes Etuikleid, Lackpumps und Nahtstrümpfe. Die Haare steckte sie am Hinterkopf zu einer »Banane«. Sie schminkte sich kräftig: Dunkler Kajal, knallrote Lippen. Gut sah sie aus. Klassisch, edel. Sie würde kein Halsband tragen, es passte nicht zu diesem Kleid.
Vor dem Spiegel des Schiebetürenschrankes im Schlafzimmer übte sie einen eleganten Gang: Kopf hoch, Schultern zurück, Bauch rein, gehen wie auf einer unsichtbaren Linie, Fuß vor Fuß. Sie war zufrieden und freute sich auf den Abend.
Die Adresse war unscheinbar: eine Tür zum Souterrain, neben der eine blanke, schlichte Messingklingel angebracht war. Kein Namensschild. Eine Klappe in der Tür öffnete sich, jemand sagte: »Ja bitte« und Gerald sagte: »Play Party«.
Ein Mann stellte sich freundlich vor: »Thomas. Ich veranstalte das hier.« Er führte sie zu einer Metalltreppe, die in einen imposanten Gewölbekeller hinabführte, dessen Decke hoch oben über der Treppe lag. »Acht Meter hoch«, erklärte Thomas, der Simones beeindruckten Blick bemerkt hatte.
Fackellicht tauchte die alten Backsteinmauern in gespenstisches Licht, gregorianische Gesänge klangen von irgendwoher. Die steile Treppe war aus rostigem Eisengitter, dessen Verstrebungen etwa drei Zentimeter weit auseinander lagen. Es erschien Simone unmöglich, mit den zehn Zentimeter hohen Absätzen heil da runterzukommen.
Unten waren schon etliche Gäste. Sie standen in bizarren und sexy Outfits in Grüppchen zusammen, schwatzten und lachten. Alles war gedämpft und ein bisschen unheimlich. Stufe für Stufe hangelte Simone sich vorsichtig herunter, klammerte sich dabei am Geländer fest und versuchte dennoch, ein damenhaftes Gesicht zu machen, dem man die Anstrengung dieses Balanceaktes nicht ansah.
Thomas führte sie herum, zeigte ihnen einen Bretterverschlag mit Stroh auf dem Lehmboden. Neben einem rostigen Eisenring an der Wand stand ein mit Wasser gefüllter Hundenapf.
Der Keller nebenan hatte eine niedrige, schwarz gestrichene Tür; Gerald
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