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Im Netz der Meister 2

Im Netz der Meister 2

Titel: Im Netz der Meister 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Berling
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hoch. Sie haben sich benommen wie jemand, der nachts in des Nachbars Garten schleicht und ihm die Früchte stiehlt, die der da sich so sorgsam ...«
    Simone und Gerald starrten einander fassungslos an. Sie schluckte. »Gerald. Sag mal, kann es sein, dass die verrückt ist? Ich meine, so richtig krank?«
    Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Mit seiner Antwort ließ er sich Zeit. »Also, sie hat mir ja die ganze Nacht von sich erzählt. Glaub nicht, dass sie sich nach mir erkundigt hätte oder irgendwas von mir wissen wollte. Sie wollte nur loswerden. Extrem ichbezogen. So jemand ist mir noch nie begegnet. Irgendwie hat sie die ganze Zeit versucht, mich zu manipulieren. Auch schon vor dem Treffen im Savoy. Erst hab ich es nicht gemerkt, aber nach den ersten hundert Mails fiel es mir schon auf. Wenn man nicht so reagiert, wie sie das erwartet, wird sie zickig und unlogisch. Aber nicht so, wie normale Frauen, sondern völlig überzogen. Dann gibt es endlose Diskussionen. Wenn man die vermeiden will, passt man sich ihr irgendwie an, gibt ihr Recht, damit bloß Ruhe ist. Sie hat mich manchmal dreißig Mal am Tag angesimst. Hagemann hat’s gemerkt und mich mündlich abgemahnt.«
    »Davon wusste ich nichts! Sie hat dich auf der Arbeit tyrannisiert?«
    Gerald nickte. »Sie braucht die totale Aufmerksamkeit, und man darf sie nie kritisieren. Sie hat dann das Gefühl, nicht richtig zu sein, so wie sie ist. Total narzisstisch. Superempfindlich, schnell eingeschnappt. Einfach gaga. Sie kann einem schon leid tun, ihr Leben ist gescheitert, sie steht vor den Trümmern ihrer Existenz und kann ihr Scheitern nicht ertragen. Sie ist arbeitslos, geschieden und hat kein Geld.«
    Simone fiel ihm ins Wort. »Quatsch. Wenn jede arbeitslose Alleinerziehende sich so aufführen würde! Sie denunziert dich im Netz, Gerald. Hast du nicht kapiert, was sie da vorhin gepostet hat? Und außerdem hat sie Leo!«
    Gerald winkte verächtlich ab. »Leo. Sie könnte froh sein, dass sie so einen Schluffi hat, aber sie demütigt ihn, wo sie nur kann. Nach jeder Affäre schnippt sie mit den Fingern, und er ist glücklich, dass er sie wieder hat. Er liebt sie wirklich, aber Anna liebt nur sich selbst.«
    »Das alles entschuldigt nicht den Schwachsinn mit dem geraubten Gästebucheintrag! Vergiss deinen Ritterkomplex und sag ihr die Meinung! Sie soll diesen Scheiß im Forum sofort löschen.«
    Simone sah nach: Inzwischen hatten etliche, vorwiegend männliche User Anna im Forum ihre Solidarität bekundet und tatkräftige Hilfe zugesichert.
    Geralds Mailbox füllte sich mit bösen Drohungen und wüsten Beschimpfungen.
    Simone stöhnte. »Die wissen ja nicht, worum es geht. Gerald, du musst im Forum erklären, dass sie dich beschuldigt, einen Gästebucheintrag geklaut zu haben!«
    »Ich muss gar nichts. Gekränkte Eitelkeit ist das, weibliche Hysterie, weil ich nicht hinter ihr herlaufe. Die spinnt und wird sich wieder beruhigen. Im Forum steht ja nicht mein realer Name, also keine Panik.«
    Hier irrte er sich. Anna hatte jedem Poster, der sie tröstete und Rule öffentlich beschimpfte, Geralds Namen und seine Handynummer geschrieben. Der Terror begann schon wenig später.
    Mit unterdrückter Nummer riefen Männer an, die drohten, es Gerald zu zeigen, die ihm Obszönitäten ins Ohr brüllten und Beleidigungen flüsterten oder minutenlang schwiegen und dabei schwer atmeten. 21 Anrufe waren es bis Mitternacht. Schließlich schaltete Gerald das Handy aus. In den nächsten Tagen klingelte es fast ununterbrochen. Donnerstag besorgte er sich eine neue Telefonnummer, dann war Ruhe.
    Im Forum war das anders. Annas Thread hatte über dreihundert Kommentare bekommen. Sie hatte ihren Vorwurf an Rule inzwischen öffentlich konkret formuliert und den Gästebuchdiebstahl zum Thema gemacht. Die Leute diskutierten darüber, wem so ein Gästebucheintrag gehörte: dem Verfasser als geistigem Urheber oder dem Empfänger. Sie stritten sich langatmig und verletzend, mutmaßten über Gerald und seine Beziehung zu Anna, verlangten seinen Rauswurf aus dem HLF und verloren sich in sinnlosen Postings. Gerald äußerte sich dazu nicht. Er antwortete auch nicht mehr auf Annas Mails.
    Bis zu dreißig Mal klingelte zu Hause das Telefon, und wenn Simone oder die Mädchen den Hörer abhoben, war nur unheimliche Stille in der Leitung. Jenny machte sich ab und zu einen Spaß draus, in den Hörer zu stöhnen oder den Anrufer als »perverse Sau« zu

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