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Im Netz der Meister 2

Im Netz der Meister 2

Titel: Im Netz der Meister 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Berling
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beschimpfen.
    Gerald ging nicht mehr dran. Als die anonymen Anrufe in der Firma begannen und den ganzen Tag lang andauerten, bekam er abends einen Tobsuchtsanfall. Er rief Anna auf dem Handy an und schrie, sie solle ihn in Ruhe lassen und seine Familie nicht tyrannisieren. Sie legte wortlos auf.
    Die Anrufe in der Firma kamen dann im Viertelstundentakt. Gerald wurde zum Chef zitiert und bekam drei Tage Zeit, um seine »Angelegenheit« zu regeln.
    Anna veröffentlichte in der Literaturabteilung des Forums eine Geschichte mit der Überschrift: »Broken Rule«. Darin schilderte sie in überschwänglicher Sprache Details eines Treffens: Sie erzählte vom zarten Mädchen Chiara, das von einem »seelenschmerzpeinmachenden regelbrechenden Grobian« zuerst verführt, später barbarisch gequält und dann schnöde verschmäht wurde. Ein großer Teil der Poster-Meute meinte, Rule alias Gerald in der Geschichte zu erkennen und hielt alles für einen wahren Erlebnisbericht. Diese User ereiferten sich in vierhundert Beiträgen über Gerald und seine perverse Art und sie forderten wieder und wieder seine Löschung.
    Andere stimmten Leo zu, der sich nun als Tolstoi zu Wort gemeldet und den Text als literarisches Kleinod erster Güte bezeichnet hatte. »Hier hat eine, die es kann, reales Erleben beeindruckend verarbeitet«, schrieb er, und Annas Fans stimmten im virtuellen Chor ausführlich zu. Sie ließ sich bedauern, trösten und hofieren. Gerald schwieg auch dazu.
    An sieben aufeinanderfolgenden Abenden versuchten verschiedene Pizza-Bringdienste Stapel mit jeweils zehn Pizzen bei Simone und Gerald abzugeben. Der wahre Auftraggeber hätte mit Hilfe der Polizei sicherlich ermittelt werden können, aber Gerald winkte ab. Die Taxifahrer, die Freitagabend klingelten und »Herrn Sänger« abholen wollten, waren sehr verärgert, als sie weggeschickt wurden und Leerfahrten verbuchen mussten. Gerald rief die Bonner Taxiunternehmen an und erklärte, er werde weder heute noch in den kommenden Tagen einen Wagen benötigen, wenn für ihn ein Taxi bestellt würde, könne das ignoriert werden.
    Als eine Gärtnerei am Samstag den riesigen Kranz lieferte, auf dessen schwarzer Schleife, neben einem weißen Kreuz, die Worte »Hier ruht Rule« standen, schlug Gerald die Hände vors Gesicht und war kurz davor, Anzeige zu erstatten.
    Dann wurde ihm bewusst, dass er nichts von Anna wusste. »Ich habe keine Ahnung, wie sie heißt!«, gestand er Simone. Die erinnerte sich an Leos Satz: »Eigentlich heißt sie Heidi«, aber ob das die Wahrheit war, wusste niemand. Gerald hatte nur ihre Handynummer und diverse Mailadressen; er hatte sie nie im Festnetz angerufen.
    »Als ihr im Hotel eingecheckt habt, hat sie ihren Ausweis zeigen müssen, oder?«
    »Weiß ich nicht mehr. Selbst wenn, glaubst du, die geben mir ihre Daten? Ich könnte bei der Polizei angeben, dass ich mit ihr da war und die Umstände erklären, damit die recherchieren, wer sie ist.«
    Sie überlegten gemeinsam, ob eine Anzeige Sinn haben würde.
    »Wenn wir uns als SMler outen, die eine offene Ehe führen, dann sind wir am Ende selbst die Dummen«, sagte Simone. »Das kann man doch keinem erklären, warum du mit Anna da warst.«
    Sie wollte Anna im HLF anschreiben und sie um Ruhe bitten, aber Anna hatte Nachrichten von ihr blockiert. Mails beantwortete sie nicht.
    Es kamen keine Pizzen, keine Taxis und keine Grabkränze mehr, aber es kamen Bettdecken vom Otto Versand, Babynahrung und Pampersproben, Blumenbouquets und Weinlieferungen per Nachnahme, ein Probeabonnement der FAZ und eine Dame von einer Versicherung, die darauf bestand, dass sie »mit Herrn Sänger einen fest vereinbarten Beratungstermin« habe. Und jede Stunde klingelte das Telefon, Tag und Nacht.
    Nach drei Wochen waren Simone, Gerald und die Kinder mit ihrer Kraft am Ende. Erst, als sie eine neue Telefonnummer bekamen, hörte der Klingelterror auf.
    Simone schrieb Leo im »Harte-Liebe-Forum” an und bat ihn inständig, dafür zu sorgen, dass Anna Gerald und ihre Familie in Ruhe lassen sollte. Sie wisse sich sonst nicht anders zu helfen, als Anna wegen Stalking anzuzeigen. Ihre Identität herauszufinden, sei für die Polizei kein Problem. Leo antwortete nicht, aber die Belästigungen hörten auf.
    Anna und er schienen ihre Aktivitäten kurze Zeit später eingestellt zu haben: Sie schlossen ihre virtuellen Gästebücher, löschten ihre Profiltexte und beteiligten sich nicht mehr im Forum. Simone atmete auf. Sie wollte mit diesem

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