Im Netz der Meister (German Edition)
hatte früher so gerne dekoriert, hatte Stunden in den entsprechenden Abteilungen der Kaufhäuser verbracht, um Gläser und Deckchen, Kerzen und Schalen, Kugeln und sonstige Lifestyle-Artikel zu kaufen. Heute konnte sie nur aus dem Fundus der letzten Jahre schöpfen, auch der Tannenbaum würde mit den alten Kugeln spartanisch aussehen – und eine dieser scheußlichen elektrischen Lichterketten bekommen, die Simone noch nie ausstehen konnte. Sie hatte vergessen, Wachslichter zu kaufen.
Einige silberne Christbaumkugeln, ein wenig Silber-Lametta, im letzten Jahr übrig geblieben, rundeten den Tischschmuck ab. Simone durchsuchte die Schubladen im Sideboard nach den echt silbernen Serviettenringen, die Tante Hilde ihr mal geschenkt hatte. Ja, da waren sie, aber schwarz angelaufen und in diesem Zustand unmöglich zu benutzen. Wütend warf Simone sie zurück in die Schublade. Das konnte sie eben nicht schaffen: Den Beruf vernünftig auszuüben und einen großen Haushalt tipptopp in Ordnung zu halten, war einfach nicht möglich.
Sie ging in die Küche, um den Brotkorb zu bestücken und die Salate, die sie fertig gekauft hatte, in Glasschälchen zu füllen. Jetzt musste sie nur noch die Geschenke unter den Tannenbaum legen und warten, dass die anderen nach Hause kamen. Apropos Geschenke: Wo hatte Gerald den Computer für die Mädchen hingestellt?
Simone sah im Keller, im Vorratsraum und in der Garage nach. Teufel noch mal, so einen Computer konnte man doch nicht übersehen! Auch in der Nische unter der Wendeltreppe war nichts, Simone war ratlos.
Sie sah im Schlafzimmer in Geralds Schrank nach. Ganz unten, zwischen den alten Pullovern, die er nur noch anzog, wenn er im Haus etwas zu reparieren hatte, guckte die Ecke eines flachen, rechteckigen Kartons aus dem Wäschestapel heraus. »Medion« stand auf dem Karton, und ein Notebook war darauf abgebildet.
Ach, hatte er für die Mädchen ein Notebook gekauft? Hatte er ihr das erzählt? Sie konnte sich nicht erinnern, wusste nur noch, dass es ein Computer sein sollte und er das Gästezimmer herrichten wollte.
Das Gästezimmer! Simone schlug sich an die Stirn und ging hinüber. Die Tür war verschlossen, sie nahm den Schlüssel von der Kante des Türrahmens, dort hatten sie immer ihre Schlüssel versteckt. Wenn Gerald nun das Zimmer gar nicht umgeräumt hatte und es ihr überließ, den PC einzupacken? Typisch, dann konnte sie sehen, wie sie dieses Notebook noch verpackt kriegte. Simone öffnete die Tür und stieß einen Pfiff aus.
An der Wand, wo sonst Kartons mit alten Büchern gestapelt waren, stand ein nagelneuer Computertisch. Darauf ein großer Monitor, Tastatur, Maus, der Rechner auf einem Regal unter dem Tisch, ein Drucker war angeschlossen und ein Scanner. Ringsum auf dem Schreibtisch waren Teelichter verteilt, vier hübsch verpackte Päckchen lagen neben dem Bildschirm, sie hatten die Form von CDs.
Gerald hatte alles vorbereitet, und er hatte es sehr liebevoll getan. Simone lächelte traurig. Eigentlich wäre das ihre Aufgabe gewesen. Dann stockte ihr der Atem. Für wen war das Notebook im Kleiderschrank?
Gerald, der Verrückte, er würde ihr ein Notebook zu Weihnachten schenken! Wahrscheinlich, damit sie im Urlaub auf Norderney ein wenig arbeiten konnte und auf nichts verzichten musste. Simones Puls ging schneller, sie freute sich sehr.
Rasch verschloss sie das Gästezimmer wieder, lief zum Kleiderschrank und schob das Notebook wieder genau dorthin, wo es vorher gewesen war.
Fieberhaft überlegte sie, was sie für Gerald auf die Schnelle improvisieren konnte – der Pullover und die Pflegeserie, die sie gestern in der Mittagspause noch besorgt hatte, würde neben einem Geschenk wie dem Notebook total lächerlich und peinlich aussehen. Wie hatte sie Gerald vergessen können? Meine Güte, er war so lieb und er wusste genau, wie sehr sie sich ein Notebook gewünscht hatte, lange schon.
Sie entschloss sich, ihm einen Gutschein für einen Theaterabend mit anschließendem Besuch im Nobelrestaurant »Jordans« zu schenken – was Besseres fiel ihr nicht ein.
Sie drapierte den Gutschein unter dem Tannenbaum, ging ins Bad, um sich frisch zu machen, setzte sich ins Esszimmer und wartete auf ihre Familie.
Gerald und die Mädchen waren in Festtagsstimmung. Simone hörte sie lachen, als sie aus dem Auto stiegen. Irgendwie gab es ihr einen Stich, als die drei in der Diele scherzten und sich liebevoll in die Seiten knufften, während sie die Mäntel auszogen und an die
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