Im Netz der Meister (German Edition)
Halteverbot neben der Davidswache ab. Als ich auf das Schild zeige, lachst du und winkst lässig ab.
»Die schleppen hier nicht ab, sondern verteilen nur Knöllchen, und die sind nicht teurer als ein paar Stunden im Parkhaus.«
Wir überqueren die Reeperbahn, die sich von anderen Straßen in großen Städten nicht unterscheidet. Ein Geschäft neben dem anderen.
Nur, dass es eben Sex-Shops, Table-Dance-Clubs und Bars statt Orsay, Nordsee und H&M sind.
Vor einer glänzenden weißen Fassade bleiben wir stehen. Der Laden sieht aus wie eine Nobelboutique. Ein Türsteher bewacht den Eingang. Dildos und Vibratoren in verschiedenen Farben und Formen, Dessous, Lederhalsbänder und Handschellen sind in den Schaufenstern dekoriert.
»Boutique Bizarre, tolles Sortiment, hier kauf ich am liebsten ein«, sagst du.
Wir gehen hinein. Pornofilme auf DVD, Bücher, noch mehr Dildos, grüne, rote, schwarze, fleischfarbene. Potenzmittel. Neben der Treppe hängen rosa Höschen mit Rüschen, solche habe ich als Kind unterm Sonntagskleid tragen müssen. Sie waren aus Polyester und kratzten fürchterlich an den Gummirändern. Ich habe sie gehasst. Komisch, dass sie ein Fetisch sein können. Weiter hinten ist die Abteilung für Korsetts und Korsagen, wir schauen uns traumhafte Modelle an. Beim Anblick der Preise wird mir schwindlig.
»Lady, wenn du irgendwas haben möchtest, sagst du es, okay?«
Ich nicke, aber ich will nichts haben. Ich kenne dich doch gar nicht wirklich und außerdem haben wir nichts miteinander. Warum sollte ich etwas annehmen? Dass du mir die Reise, das Hotel und das Essen bezahlt hast, freut mich sehr. Aber hier, in diesem Dessousparadies, kann ich nichts von dir annehmen, das ist mir viel zu intim.
Wir gehen ins Untergeschoss. Mir stockt der Atem. Lack, Leder, Gummikleidung, Halsbänder, Peitschen, Gerten, Masken – ein unglaubliches Angebot. Die Schuhabteilung ist großartig: herrliche High Heels, ein Paar schöner als das andere. Du lächelst, während du mich beim Staunen beobachtest, und sagst wieder: »Lady, was für ein Weib, was für ein Weib. Ich will dich.«
Du kaufst mir Nylons, duldest keine Widerrede, als ich protestiere.
»Hast du schon mal echte Nylons gehabt?« Nein.
»Hier, schau mal, das sind echte: aus 100% Nylon mit genähter Naht und Ziernaht an der Hochferse. Hauchzart, feinmaschig glänzend, fünfzehn Denier, hergestellt auf Originalmaschinen der fünfziger Jahre.«
Deine Augen glänzen. Du kaufst die Nylons und drückst sie mir an der Kasse in einer dezenten schwarzen Plastiktüte in die Hand. Sie kosten achtundzwanzig Euro, ein Vermögen für ein Paar Strümpfe.
»Zur Erinnerung an einen Ausflug nach Hamburg und an einen alten Sack, der Nylonfetischist ist«, sagst du.
Wir schlendern noch ein Stück die Reeperbahn entlang. St. Pauli-Theater, Operettenhaus, Davidswache. Du zeigst auf einen Pavillon: »Da gibt’s die beste Bratwurst der Welt, und am besten schmeckt sie nachts um zwei.«
Herbertstraße, Erichstraße. Wir gehen durch schmale Seitenstraßen, die ich mir auf St. Pauli ganz anders vorgestellt habe. Irgendwie sündiger, bunter. Hier gehen alte Leute mit ihren Einkauftaschen durch die Straßen, viele ehemalige Sex-Shops sind leer, aus Eckkneipen klingt Musik, auf dem Gehsteig hat einer gekotzt, und du führst mich umsichtig drum herum. Wir stehen vor dem Erotic Art Museum. Du schmunzelst.
»Ich hab doch gesagt, wir machen Kultur.«
Wir gehen hinein und sehen uns die Ausstellungen an. Langsam tun mir die Füße weh, meine Pumps sind für so lange Spaziergänge nicht geeignet.
»Kein Problem, Lady, dann gehen wir bei Erich was trinken.«
Die Brasserie Erich im Erotic Art Museum ist noch geschlossen, es ist fünf Uhr nachmittags, und Erich öffnet erst um neunzehn Uhr. Wir gehen weiter durch Seitenstraßen.
Vor einem kleinen Geschäft bleiben wir stehen. In den Schaufenstern liegen Peitschen in allen möglichen Größen und Farben. Und Teddys: superniedliche kleine Teddys, die mit Lederrock oder -hose und Ketten bekleidet sind.
Du sagst: »Diese SM-Teddys verkaufen sie bis nach China. Der Laden gehört einer ehemaligen Domina und ihrem Ehesklaven. Die machen hier wunderbare Peitschen, handgefertigt. Und sie reparieren den Kindern von St. Pauli auch schon mal kostenlos ihre ledernen Tornister. Wir gehen da jetzt rein. Denk dir nichts dabei, wenn SIE dich anpöbelt, sie meint es nicht so.«
Ach herrje, wohin führst du mich hier bloß? St. Pauli ist wirklich eine
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