Im Netz der Meister (German Edition)
weil die modernen Schiffe immer kürzere Liegezeiten haben. Früher waren die Matrosen tagelang an Land, heute geht alles ruckzuck. Anlegen, Ladung löschen, ablegen. St. Pauli verliert dadurch seine Faszination und ist nur noch für Touristen interessant. Warst du schon mal auf St. Pauli, Lady?«
Nein, war ich nicht. Du fährst schnell und zügig, scheinst dich hier auszukennen. Hamburg im November ist nicht wirklich schön. Nieselregen und ein tiefer, grauer Himmel. Du bremst abrupt, rechts vor uns ist eine Parklücke frei. Du manövrierst den BMW rasch hinein.
»Der war für mich reserviert«, sagst du lachend. »Bleib sitzen!«
Du springst aus dem Auto, läufst zur Beifahrerseite und reißt den Wagenschlag auf. Reichst mir die Hand, hilfst mir aus dem Auto, hältst einen Schirm über den Kopf. Meine Güte, bist du hektisch. Aber: Manieren alter Schule, vom Feinsten, das gefällt mir.
Wir sind am Elysée Hotel. Die Koffer lassen wir im Auto, wir übernachten erst morgen hier, sagst du, wir essen erst mal was. Gute Idee, ich hab heute noch nichts gegessen.
Die Lobby ist riesig. Heller Marmorboden mit großen Mustern. Du machst eilige Riesenschritte, ich stöckele hinter dir her. Rechts ein Eingang zwischen zwei gläsernen Säulen, auf denen Grünzeug rankt. Piazza Romana. Ein Kellner kommt auf uns zu und schaut auf die Uhr, erkennt dich dann offensichtlich und lächelt. »Professore, Dottore...« murmelt er und macht einen Bückling.
»Salvatore, ich weiß, dass es spät ist. Wann macht ihr zu? Vierzehndreißig? Ist Luigi noch da? Ja? Er macht uns noch eine Kleinigkeit zurecht, oder?«
Es ist kurz nach halb drei.
Salvatore gibt sich dienstbeflissen und weist uns einen Tisch zu. Er schiebt mir den Stuhl unter den Hintern und zündet die Kerze auf dem Tisch an. Direkt neben uns ist eine Art überdachtes Atrium, in dem üppige Pflanzen wachsen. Schön hier. Viel Gelb, viel Marmor, viel Messing. Mediterranes Ambiente.
Außer uns sitzen nur ein Mann und eine Frau an einem Tisch, sie trinken Espresso und haben offenbar schon gegessen. Das Personal tut mir leid. Jetzt müssen sie unseretwegen hier bleiben.
Salvatore bringt die Karte, aber du schiebst sie an die Seite.
»Magst du Fisch, Lady?« Ich nicke.
Du bestellst auf Italienisch. Fließend. Donnerwetter. Dann fällt mir ein, dass du in Italien studiert hast. Es stand in deinem Lebenslauf im Internet. Du fragst, wie die Fahrt war, plauderst über dies und das und sagst immer wieder: »Was für ein Weib! Ich will dich, Lady!«
Das Essen kommt. Es duftet köstlich und ist schön angerichtet.
»Steinbeißerfilet, gebraten mit Hummer-Shitakepilz-Ragout in Safransauce und Brokkoliröschen«, erklärst du.
Lecker. Wir trinken Wein, und du erzählst aus deinem Leben, als würden wir uns hundert Jahre kennen. Ich beobachte dich, deine funkelnden blauen Augen, dein zerklüftetes Gesicht, deinen vibrierenden Bauch, wenn du lachst. Du lachst laut. Sugardaddy, würde Britta sagen.
Ob du in deinem Alter überhaupt noch vögeln kannst?
Dein Anzug ist hellgrau, sitzt gut, das weiße Hemd macht dich blass, die silbergrau gemusterte Krawatte hast du dir vom Hals gezerrt und zusammengerollt auf den Tisch gelegt. Du erzählst irgendeine Anekdote aus irgendeinem Swingerclub, in dem du mal warst, ich hab den Anfang nicht mitgekriegt.
»... und, Lady, der Typ hat sich wirklich die größte Mühe gegeben, und sie hatte auch sichtlich Spaß am Ficken, aber sie kam und kam einfach nicht zum Orgasmus!«
Ich lache, weil du so lebhaft erzählst, nicht wegen der Pointe. Ich finde dich nett. Du bist ein Entertainer. Mal sehen, wie sich alles entwickelt. Wie ein Dom wirkst du nicht auf mich. Du bist souverän, weltgewandt, das ja. Aber dominant? Ich weiß nicht.
Ist ja auch egal, ich bin hier, um zu reden und nicht, um mit dir ein Spiel zu spielen. Ich stelle mir dich im Blümchenkleid vor. Und mit Gasmaske.
Du zahlst mit einer goldenen Kreditkarte. Salvatore bringt uns zur Tür, dabei macht er einen Bückling nach dem anderen. Der ist ganz sicher devot, so unterwürfig, wie er sich aufführt.
Wir setzen uns in der riesigen Halle an einen Zweiertisch. Du bestellst Espresso. Zwei doppelte und zwei Grappa.
»Wenn wir so weitermachen, bin ich gleich blau«, sage ich. Du lachst.
»Macht nichts, dann machen wir unsere Kulturtour eben im Suffkopp.«
Kulturtour?
»Ja, ich hab mir ein nettes Programm ausgedacht.«
Wir fahren mit deinem Wagen nach St. Pauli. Du stellst ihn im
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