Im Netz Der Schwarzen Witwe
Licht ihrer Dunkelkammer die Fotos entwickelten, die sie heute Morgen geschossen hatte. Sie empfand wieder diese vertraute Mischung aus Besorgnis und Aufregung. Dabei hatte sie sich in den vergangenen Monaten so viel Mühe gegeben, diese Stimmung abzulegen.
Nun aber spürte sie die üblichen Stresssymptome, die Verspannungen in den Schultern. Sie ließ sie kreisen und sprach im Stillen ihr Mantra: keine Sorgen, keine Probleme.
Aber da machte sie sich natürlich etwas vor. Sie war durchaus besorgt. Und ein Problem gab es auch.
Sie liebte einen Mann, der sie nicht nur angelogen, sondern sie auch noch bestohlen hatte.
Während sie die Chemikalien vom Fotopapier spülte, lächelte Jonathan Mills sie direkt von dem Bild an. Seine Augen blickten freundlich und belustigt. Mariah betrachtete seine Augen genauer, um herauszufinden, ob sie seine Unaufrichtigkeit vielleicht mit der Kamera eingefangen hatte. Sie wollte wissen, ob er gleich von Beginn an gelogen hatte. Doch alles, was sie sah, waren Wärme und Leben.
Die Fotos, die sie in ihrer Küche gemacht hatte, standen in scharfem Kontrast zu denen, die bei ihrer ersten Begegnung am Strand entstanden waren. Mariah hatte diese Filmrolle wiedergefunden und sie zuerst entwickelt. Diese Bilder waren jetzt zum Trocknen aufgehängt. Sie zeigten Jonathans magere Silhouette vor einem heller werdenden Himmel. Sein Profil – ein vom Schmerz gezeichnetes Gesicht. Er wirkte kühl und distanziert. Aber er sah nicht aus wie ein Betrüger.
Allerdings war sie sich selbst nicht ganz sicher, wonach sie suchte. Vielleicht etwas Verdächtiges in seinem Blick. Oder ein Ausdruck von Boshaftigkeit. In Wirklichkeit sah man den meisten Betrügern und Schwindlern wahrscheinlich überhaupt nichts an. Mariahs Magen machte sich schmerzhaft bemerkbar, und sie rollte erneut mit den Schultern. Keine Sorgen.
Vorsichtig hängte sie die neueren Fotos von Jonathan neben die von der ersten Filmrolle. Es war schwer vorstellbar, dass es sich auf den Bildern um ein und denselben Mann handelte.
Wieder sah Mariah in Jonathans lachende Augen. Dies war der Mann, der bei ihr Trost gesucht hatte, als er sich endlich über den Tod seines Freundes zu trauern gestattete. Dies war der Mann, der so leidenschaftlich mit ihr geschlafen hatte. Dies war der Mann, der ihr gesagt hatte, er begehre sie , nicht Serena. Es fiel ihr schwer, zu glauben, dass genau dieser Mann sie belogen, ja sogar sie bestohlen hatte.
Nachdem er gegangen war, hatte Mariah die Fotostapel auf ihrem Esszimmertisch nicht gleich durchgesehen. Und als sie der Versuchung schließlich nachgab, plagte sie ein schlechtes Gewissen wegen ihres mangelnden Vertrauens. Aber anscheinend war ihr Misstrauen berechtigt. Zwei Bilder fehlten. Jonathan hatte zwei Fotos von Serena genommen, obwohl Mariah ihm ausdrücklich erklärt hatte, dass sie ihm die Bilder nicht geben wollte.
Das Telefon klingelte, und Mariah nahm das schnurlose Gerät, das sie mit nach unten genommen hatte. Einerseits hoffte sie, dass es Jonathan war, andererseits, dass er es nicht war. „Hallo?“
„Hallo, Mädel, wie geht es deinem Rücken?“ Das war Laronda, die Baustellenkoordinatorin von Foundation for Families.
„Er tut nicht mehr weh“, antwortete Mariah. „Heute Morgen habe ich vom Arzt grünes Licht bekommen. Ich darf wieder arbeiten.“
„Der Himmel ist mir wahrhaftig gnädig“, rief Laronda melodramatisch. „Ich brauche dringend Dachdecker. Der tropische Sturm Otto bewegt sich fast auf direktem Weg auf das Haus der Washburtons zu. Eigentlich soll es vor Ende der Woche nicht regnen, jedenfalls nicht allzu schlimm. Wir haben auf Risiko gesetzt und die Hilfe eines Elektrikers aus dem Ort genutzt, der ein paar Tage freihatte. Also erledigten wir die Elektroarbeiten, bevor das Dach fertig war. Jetzt aber heißt es vom Wetterdienst, hoppla, wir haben da wohl einen kleinen Fehler gemacht. Nun bekommen wir doch Sturm und sintflutartigen Regen, deshalb muss das Dach schnell dicht gemacht werden, bevor der gute alte Otto ein übles Spiel mit Wasser und Elektrokabeln veranstalten kann. Kannst du mithelfen? Wir arbeiten von jetzt an durch, bis wir fertig sind, und ich nehme dich, solange ich dich kriegen kann.“
Wie üblich trug Mariah keine Uhr. „Wie spät ist es?“
„Fast Mittag. Sag einfach Ja, dann holt dich der Van in fünfzehn Minuten ab. Heute gibt es einen Fahrservice von Tür zu Tür.“
„Ich werde fertig sein. Aber, Laronda …“
„Du bist ein
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