Im Netz des Verbrechens
Gewissen.«
»Na und? Das Schwein hat es verdient!«
»Du vertraust Pawel also?«
»Du nicht?«
»Doch.« Sie schaffte es, flüchtig zu lächeln. Es fühlte sich wie ein Verrat an. Ein Verrat an ihrer besten Freundin. Aber sie musste ihren Vater warnen. Nachdem, was sie heute Nacht in dem von Nick aufgenommenen Gespräch aufgeschnappt hatte, schwebte er in ernster Gefahr. Nachdenklich schob sie sich ein Stück Quarkmasse in den Mund. Es gab nur einen Weg, ihm die Nachricht zu übermitteln. »Weißt du was, vielleicht können wir uns ein wenig für deine Rettung revanchieren. Pawel hat mir gesagt, er möchte mit meinem Vater sprechen. Ich glaube, ich habe eine Idee, wie man an ihn herankommt.«
»Wirklich? Das ist doch wunderbar!« Pyschkas Bambi-Augen glänzten aufgeregt. Die Röte auf den rundlichen Wangen wurde tiefer. Sie war so leicht zu begeistern, ihre kleine Pyschka.
»Gut. Ich muss meine Oma anrufen. Sie ist die einzige, die ihn in einem Notfall erreichen kann. Keine Ahnung wie, aber wenn ich mich bei ihr ausgeweint habe, stand er am nächsten Tag auf der Matte und brachte mir Atemübungen bei.«
»Das ist doch schon was. Ruf deine Oma an! Am besten gehen wir gleich zu Pawel.« Entschieden nahm Pyschka ihr die Gabel aus der Hand und wollte sie schon zur Tür ziehen.
»Warte! Lass mich doch wenigstens etwas anziehen.« Sie schlüpfte aus ihrem Negligé und streifte die frischen Sachen über. Heute waren es eine türkisfarbene Bluse, eine weiße Hose, durch die ihr Höschen durchschimmerte, und ein taillierter Cardigan.
Sie öffnete die Tür, und ein Mann trat ihr in den Weg. Von der Statur her konnte er locker mit den schweren Jungs konkurrieren, mit denen sich ihr Vater gern umgab. »Brauchen Sie etwas?«, brummte er freundlich.
Juna wich zurück und stieß gegen Pyschka.
»Das ist Byk«, hörte sie die begeisterte Stimme ihrer Freundin. »Unser Bodyguard. Bodyguard! Wie geil ist das denn?«
»Ich bin entzückt«, murmelte Juna, ohne den Blick von diesem Muskelberg abzuwenden. Byk? Nick hatte doch auch einen Byk erwähnt, als er sie nach dem Mädchenlager ausgefragt hatte. Diesen Kerl hatte sie dort nicht gesehen. Aber dass Pawel ihn hier abgestellt hatte, verhieß nichts Gutes.
Die Silhouette an der Fensterfront seines Büros … Bitte, lass ihn nichts gesehen haben …
»Na komm schon!« Pyschka dirigierte sie in den Flur.
Byk begleitete sie beide zum Büro.
Bereits vom Ende des Flurs aus sah sie Nick und verlangsamte den Schritt. Am Rand ihres Bewusstseins tauchten Omas frühere Bemühungen auf, eine richtige Lady aus ihr zu machen: die Schulter straffen, den Kopf gerade halten, die Füße auf eine Linie stellen, was ihren Hüften einen geschmeidigen Schwung verleihen sollte. Sie hatte mit einem Buch auf dem Kopf geübt! Das Buch wäre jetzt garantiert heruntergefallen, weil ihr Herz so heftig gegen die Brust hämmerte und jeder Schritt immer unsicherer wurde. Er beachtete sie nicht.
»Guten Tag«, hauchte sie ihm zu. Schluckte.
» Miss .« Er öffnete ihr die Tür. Juna. Das letzte Mal, dass er ihren Namen gesagt hatte, schien schon Ewigkeiten her zu sein.
Er würdigte sie keines Blickes. Er musste es tun, und dennoch … Wenn sie bloß in seinen Augen lesen könnte, dass die letzte Nacht nicht vergessen war!
Pawel stand hinter seinem massiven Tisch und stützte sich mit den ausgestreckten Fingern an der Kante ab. Er wartete, bis Pyschka die Tür hinter ihr schloss. »Ihr hattet Glück, ich wollte gerade gehen. Heute ist ein wichtiger Tag.«
»Juna weiß vielleicht, wie sie mit ihrem Vater Kontakt aufnehmen kann«, sprudelte Pyschka los. »Stimmt’s?«
Alle Blicke wandten sich ihr zu. »Nun ja. Ich könnte versuchen, meine Oma anzurufen. Sie hat einen Draht zu ihm. Aber sie ist schwierig, weißt du.«
Wortlos reichte Pawel ihr das Telefon. Sie tippte die Nummer ein. Sogleich drückte Pawel den Lautsprecherknopf und deutete auf den Sessel. Sie setzte sich, lauschte den langen Tönen, bis es in der Leitung knackte.
»Alöö?«
Eine so vertraute Stimme, die nach heißem Tee an kalten Winterabenden und nach ferner Heimat klang!
»Alö?«, kam es fordernder.
»Oma, ich bin’s. Juna.«
»Juna. Schön. Wie geht es dir? Wie ist das Wetter bei dir in Deutschland?«
Instinktiv blickte sie zur Fensterfront, sah aber nur den menschenleeren Club, die schwarze, polierte Bühne, die Bar mit ihren perfekt arrangierten Gläsern und Flaschen. »Gut. Gut. Tut mir leid, dass ich abgehauen bin,
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