Im Netz des Verbrechens
raue Haut am Kinn, mit den Daumen zeichnete sie seine Wangenknochen nach, fuhr ihm durch das Haar, strich über seinen Nacken. Er neigte den Kopf, und sie spürte seinen Atem auf ihren Lippen. Sie hielt die Augen offen und konnte ihn doch bloß mit ihrem Körper fühlen. Die kräftige Brust, die sich bei jedem Atemzug hob und senkte. Sein Becken, das sich gegen ihren Schoß stemmte, etwas Festes in seiner Mitte, dem sich ihr Unterleib entgegen schob.
Das alles durchflutende Licht schnitt ihr in die Augen. Unwillkürlich schnappte sie nach Luft, als Nick sie fester gegen die Wand drückte und seine Lippen an die ihren presste. Sein Mund verschluckte ihren Ausruf.
Jemand kam herein.
Sie schmiegte sich enger an Nick, lauschte seinem Herzschlag, der sie zurück in Sicherheit wiegte.
Uns wird nichts passieren. Ihre Hände fuhren seinen Hals entlang, strichen die Linien seiner kräftigen Schulter nach. Uns kann nichts passieren.
Mit der Zunge traute sie sich etwas vor und drang in seinen Mund ein. Vorsichtig erwiderte er ihre Leidenschaft, fest, und dann weicher, ihre Zungen begegneten und erkundeten einander. Langsam fanden sie in ihren ganz eigenen Takt hinein, schrieben ihre eigenen Worte in die Verse, die nur ihnen beiden gehörten. Sie konnte sich nicht mehr zügeln, war noch nie so sehr von einem Rhythmus erfüllt, so frei in ihrer Interpretation der russischen Romantik. Auf der Zunge ließ sie die Worte zergehen, die noch nie gesagt worden waren, egal ob in seiner oder ihrer Sprache. Sie fuhr mit der Zungenspitze über seine Zähne und den Gaumen, presste ihre Lippen fester an die seinen und wünschte sich, sie könnte mehr, so viel mehr von ihm haben.
Er stöhnte auf. Nein! Man würde sie hören, entdecken … auseinander bringen.
Doch die Dunkelheit hielt sie beide wieder fest umfangen. Die Dunkelheit? Wer auch immer hier gewesen war – er war gegangen, und sie hatte es nicht einmal gemerkt. Ihr Puls beruhigte sich langsam. Ihr Mund fühlte noch immer den Druck seiner Lippen.
Sein Gesicht lag zwischen ihren Handflächen. Er neigte den Kopf, Stirn an Stirn hielten sie beide inne. Bis er einen Kuss auf ihre Lippen hauchte, so, als müssten sie sich durch die Dunkelheit zurück zueinandertasten. Vorsichtig, zaghaft, so anders als ihre Leidenschaft vorhin, doch nicht minder schön. Sie wusste, dass es gleich vorbei sein würde, dass sie keinen davon würde festhalten können. Sie umarmte ihn. Sanft strich er ihr über das Gesicht, sie fühlte seine weichen Fingerkuppen auf ihren Lidern, seine Finger glitten ihren Nasenrücken entlang, über die Lippen … Er atmete tief ein und schmiegte seine Wange an die ihre. Noch einen Augenblick lang fühlte sie ihn bei sich, dann schob sie ihn vorsichtig zurück. »Bringe mich zu Pawel.« Sie schluckte, als sie merkte, wie belegt und unsicher ihre Stimme klang, als müsste sie das Sprechen neu lernen. »Sag, du hast mich gefunden. Sag, ich war verlaufen.«
16
Sie hatte das Handy in ihrem Höschen verstaut, bevor Pawel sie in sein Büro gebracht hatte. Sie musste auf dem Sofa Platz nehmen und warten. Er war wieder gegangen und hatte die Bürotür abgeschlossen. Neben der Fensterfront fühlte sie sich wie das Meerschweinchen, das in seinem Kasten ausharrte. Erst nach einer Weile kehrte Pawel zurück, holte aus dem Schrank eine Whisky-Flasche und schenkte sich ein. Schweigend kippte er ein Glas nach dem anderen in sich hinein. Fast eine Stunde lang stand er wie versteinert vor dem Fenster und blickte nach unten zur Bühne. Eine starre, unbewegliche Silhouette, ein Schatten seines Selbst. Bis er herumfuhr und ihr mit der Macallan-Flasche drohte. »N…niemand, niemand hält mich z-zum Narren, hast du gehört?«, zischte er. »Niemals mehr. Kapiert? Hast du’s kapiert?«
Sie zwang sich, ruhig zu bleiben. »Ich habe keine Ahnung, was du meinst. Ich habe mich verlaufen. Nick hat mich gefunden. Das ist alles. Beruhige dich.«
»Alles?« Er schnaufte schwer und nahm einen letzten Schluck direkt aus der Flasche. »Ich zeig’s dir, wie ich mich … beruhige.«
Er packte sie am Arm und zerrte sie aus dem Büro zu ihrem Zimmer. Das Negligé bedeckte ihren Körper nur notdürftig, und sie musste höllisch aufpassen, dass Pawel nichts von dem Telefon merkte, auch wenn das Gehäuse unglaublich flach ausfiel. »Beweg deinen Arsch!«
Pyschka hockte auf dem Bett und blätterte in einer Illustrierten. Sie hob den Kopf, als Juna eintrat und rief: »Wo warst du nur!« Ihre Unterlippe
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