Im Netz des Verbrechens
gesehen hatte. Im Kontrast zu seinen schwarzen Haaren wirkte die Farbe so irritierend, dass Juna eindeutig zu spät merkte, wie sie ihn anstarrte. Trug er deswegen so gern eine Sonnenbrille? Brauchte er nicht. Er sah gut aus.
Nick schwieg.
Erst nach und nach verarbeitete Juna das Gehörte, bis die teils fremden Wörter einen Sinn ergaben.
» Poliz ei ?« Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass sie es laut ausgesprochen hatte. Sie merkte es erst, als sich Nicks Ausdruck mit einem Mal vollkommen veränderte. Als spürte er selbst diese Angst, die das Wort in ihr auslöste.
»Bitte lass mich das erklären.«
»Nein!«
Nun wusste sie es, und trotzdem konnte sie es nicht glauben. Die ganze Zeit mit ihm – nein, unvorstellbar. Sie hatte ihm vertraut, er war bei ihr, er hatte sie … angefasst. Sie sah die Fratze des Milizionärs, dicht vor sich, die schlaffen Wangen, die Tränensäcke unter den Augen und dieser stechende, wachsame Blick, der ihren Körper entlangglitt.
Nein, er würde sie nicht brechen. Sie musste hier weg. Irgendwie.
»Wer bist du?«
Er wollte einen Schritt auf sie zu machen, da wich sie zur Seite, weg von den Möbeln. »Du heißt nicht Nick. Richtig?«
Polizei … Das Wort ließ ihr Herz immer heftiger schlagen. Atmen! Konzentriert atmen! Sie spürte Übelkeit in sich aufsteigen, musste schlucken.
»Mein Name ist Danny Stahl.«
»Danny.« Sie leckte sich über die Lippen, sah sich rasch um. Ihr Mund fühlte sich ausgetrocknet an. »Wie Daniel?«
»Meine Eltern konnten sich die volle Form nicht leisten, würde ich sagen. Zu meiner Zeit war der Name sehr populär in Ostdeutschland.«
Sein Partner schnalzte mit der Zunge. »Lass mich raten. Wärst du ein Mädchen geworden, müssten wir dich jetzt Sandy nennen?«
»Wahrscheinlich. Insofern habe ich noch Glück gehabt.«
Danny Stahl. Jedes Wort – ein Betrug für jeden, der ihm nahestand, der glaubte, ihn zu kennen.
»Leah hat gesagt, du hast …« Sie dachte kurz nach, bis das Wort in ihrem Gedächtnis wieder auftauchte. »Pflegeeltern.«
»Nick Milla hatte Pflegeeltern. Sein Vater saß hinter Gittern, ich glaube, er hat ihn nie kennengelernt, und die Mutter stand die meiste Zeit unter Drogen. Sie hat ihn an ihre Dealer verkauft, um an den Stoff heranzukommen. Erst viel später hat das Jugendamt Wind davon bekommen und ihn da rausgeholt.«
»Und du?«
»Zu dieser Zeit ging ich noch mit Pittiplatsch ins Bett, und das Schlimmste, was ich von meiner Mutter zu befürchten hatte, war, keinen Gute-Nacht-Kuss zu bekommen.«
Sein Partner machte ein Geräusch, als hätte er sich verschluckt, hüstelte in eine Faust und brummte: »Also, das sind mir eindeutig zu viele Enthüllungen. Ich gehe mir jetzt einen Kaffee machen. Wer will auch einen?« Ohne eine Antwort abzuwarten, verschwand er in der Küche.
»Juna, ich wollte dich nicht belügen. Aber ich durfte dir nicht die Wahrheit sagen. Niemandem. Nicht einmal Marc.« Er machte einen Schritt auf sie zu.
»Nein! Bleibe dort!« Energisch wies sie ihn mit dem Zeigerfinger von sich.
»Okay. Du bleibst auf deiner Hälfte, ich auf meiner. Aber lass uns bitte reden. Hörst du? Lass uns weiterreden. Bitte.«
»Was hast du gedacht? Dass ich erfahre nicht, was du bist?«
Er schwieg einen Moment. »Irgendwie schon. Ja. Es ist etwas dumm gelaufen.«
In der Küche gurgelte die Kaffeemaschine. »Dumm gelaufen ist ein bisschen untertrieben, Nick «, tönte es durch die Geräuschkulisse. »Mag jemand übrigens Zwieback? Die Kekse sind anscheinend alle.«
Juna schob sich ein Stück weiter zum Fenster, ertastete den Sims und war erleichtert, sich darauf stützen zu können. Er hatte nie vorgehabt, ihr die Wahrheit zu sagen. Er hatte sie nur benutzt. Es gab gar keine Beziehung zwischen ihnen. Er hatte keine Gefühle. Er war ein Polizist.
»Warum? Warum alles das?« Ihre Stimme zitterte. Sie blinzelte wieder, um klarer zu sehen, und musste sich rasch über die Wangen wischen.
»Die Polizei ermittelt schon lange im Fall eines Menschenhändlerrings, der hier sehr aktiv ist. Der Verdacht lag einige Zeit auf Oleg Woronin, der sich als Model-Scout ausgab und junge Mädchen zu Prostituierten machte. Aber man konnte ihm nichts nachweisen, er hatte nicht einmal die Straße bei Rot überquert. Meine Aufgabe war es, sich ihm unauffällig zu nähern und Beweise zu sammeln. Ich brauchte einen Insider, jemanden, der mir mehr Informationen geben konnte …«
»Céline.«
»Ja. Sie war bereit, mir zu helfen.«
»Und ist
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