Im Netz des Verbrechens
fragte, warum er überhaupt angehalten hatte. Sie beugte sich zum Fenster und erzählte, sie wäre im Rahmen eines Studenten-Austauschprogramms nach Deutschland gekommen. Ihre Gruppe wurde zum Grillen eingeladen, sie wollte in der Gegend spazieren gehen und hätte sich vollkommen verlaufen. Dummerweise wusste sie nicht die Adresse der Grillparty, dafür aber die Straße, wo ihre Gruppe einquartiert wurde.
Sie nannte die vom Club.
Der Fahrer gab den Namen in sein Navigationsgerät und schüttelte den Kopf. Zu weit weg.
Sie brauchte weitere vier Versuche, bis sie jemanden fand, der sie zumindest ein Stück weit in die richtige Richtung mitnahm. Es dämmerte bereits, als sie die Straße nach vielen Zwischenstationen endlich erreicht hatte und die rosafarbene Schrift des Clubs durch den Abend schimmern sah.
Langsam kühlte sich der Tag ab, und sie begann zu frieren. Und hungrig zu werden. Und der Fuß tat höllisch weh. Genug gejammert. Höchste Zeit, ihren Vater zu finden.
Sie wählte einen Standort, von dem aus sie den menschenleeren Eingang gut im Blick hatte, selbst aber nicht gesehen werden konnte. Ihr war klar, dass ihr Plan erhebliche Schwächen hatte. Es gab bestimmt mehr als nur diesen einen Zugang zum Club. Wie hoch standen ihre Chancen wirklich, den Typen zu erwischen? Vielleicht war er bereits gegangen. Oder überhaupt nicht da gewesen. Und sie hatte keine Ahnung, wie sie diese Nacht überstehen sollte.
Es wurde dunkel und kälter. Sie ging auf und ab, ohne die Tür aus den Augen zu lassen, manchmal setzte sie sich hin und zog den Rock bis zu den Zehen lang, aber es brachte keine Erleichterung. Ans Zittern hatte sie sich gewöhnt. Manchmal krampften ihre Muskeln, sie rieb sich warm, irgendwie, und zwang sich immer wieder, die Tür im Auge zu behalten. Allein das war wichtig.
Und alles wird gut.
Zumindest solange sie keinem Nick beziehungsweise Danny erlauben würde, sie zu verunsichern. Sie hatte sich entschieden zu oft vorgestellt, wie es wäre, ihn zu berühren, ihn zu haben und sogar … zu küssen. Seine Hand auf ihrem Rücken, die ihr einen Schwung auf der Schaukel aus Tüchern gab; sein Körper, der sie gegen die Wand im Lagerraum drängte und nichts vor ihr verbarg; sein Kuss, den sie zu gern erwidert hatte. Jetzt bekam sie die Rechnung.
» Reich und vornehm und dazu hochmütig sein: das zieht von selbst das Unglück herbei «, flüsterte sie die weisen Worte aus dem Tao Te King . Sie hätte es nie vergessen dürfen.
Das Unglück … wie von selbst …
Eine Hand legte sich auf ihren Mund.
Juna wollte aufschreien, doch außer einem verwirrten Stöhnen drang nichts durch die Finger, die ihre Lippen zusammenpressten.
»Wen haben wir denn da?«
Juna wurde herumgedreht, sie hatte nicht einmal nach Luft schnappen können, als die Hand erneut ihren Mund verschloss. Grob wurde sie gegen eine Wand geschoben. Aber es war nicht Nicks Körper, der sich gegen ihren zitternden Leib schmiegte.
Das Frettchen!
Seine Finger quetschten ihre Wangen zusammen. Der unruhige Blick huschte über ihr Gesicht, die kleinen schwarzen Augen schienen nie stillzustehen.
Sie tastete nach dem Messer, zückte es und setzte ihm die Spitze der Klinge an die Rippen.
»Oh.« Er grinste. Seine Augen wurden schmal. »Hat dir jemand schon einmal gesagt, dass du so scharf bist, dass es wehtut, Schätzchen?«
Sie drückte das Messer etwas fester gegen seine Seite. Er gab ihren Mund frei. Tief holte sie Luft. »Bring mich zu meinem Vater. Sofort.«
»Du kommst ganz schön schnell zu Sache, was? Wozu die Eile, wo wir doch gerade dabei sind, uns etwas näher kennenzulernen?«
Sie bewegte das Messer. Mühelos bohrte sich die Spitze durch die Schichten seiner Kleidung. Das Lächeln gefror auf seinem pickeligen Gesicht. »Ach, was?«, zischte sie.
»Na, dir kann ich doch keine Bitte abschlagen, Süße.« Er ließ sie frei, hob die Hände und trat ein paar Schritte zurück. »Komm mit.«
Sie folgte. Er führte sie die Straße entlang zu einem dunkelblauen Polo, der aussah, als hätte er damit noch schnell seine Kids zur Schule gebracht, bevor er zu seinem Job als Mädchenschänder weiterfahren musste. Das Frettchen stieg ein und wischte ein paar CDs vom Beifahrersitz.
Juna nahm Platz, das Messer fest im Griff. Hoffentlich irrst du dich nicht, Oma.
»Anschnallen!«
Sie legte den Gurt an. Das Frettchen startete den Motor. Umständlich brachte es den Polo aus der Parklücke und schloss sich dem Verkehr an. Er fuhr gemächlich,
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