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Im Niemandsland

Im Niemandsland

Titel: Im Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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abermals kleine, berittene Gruppen gezeigt, die jeden Winkel des Geländes zu untersuchen schienen. Am Horizont waren lange Marschkolonnen aufgetaucht. Sie verhinderten einen Rückweg nach Osten, falls sie nicht abrissen.
    »Ihr bleibt hier und wartet auf uns!« befahl der Anführer seinen Leuten. »Seid wachsam und zeigt euch nicht. Ich denke, wir sind in zwei Tagen wieder zurück.«
    Die Pferde waren ausgeruht, satt und waren abgerieben worden. Nacheinander saßen die sieben Reiter auf. Sie ritten nach Westen. Bis zur Dunkelheit wichen sie den Patrouillen aus, verbargen sich in Waldstücken, wenn ein caerischer Heerwurm vorbeimarschierte, und erreichten die Schlucht noch bei Tageslicht. Eine nicht sehr hohe, aber aus undurchdringlichem Wald und schroffen Felsen gebildete natürliche Barriere erstreckte sich vor ihnen weit nach rechts und links.
    »Zieht eure Waffen!« sagte Meystral unruhig. »Die Schlucht ist nicht lang, aber voller Verstecke. Wir müssen mit einem Hinterhalt rechnen.«
    Die Schwerter glitten aus den Scheiden. Buruna schwang ein leichtes Kampfbeil; die beste Waffe für eine Frau. Dünne Rinnsale und scharfkantige Steine, herunterhängende Wurzeln und Moospolster, ein gewundener Weg, zwei bis drei Ellen breit, Äste und vertrocknete Früchte der Bäume, deren Kronen über der Schlucht ineinander verflochten waren. Die tiefe Schlucht endete, nachdem die Pferde den letzten Hang hinaufgekeucht waren, in einem Wald. Zwischen den beiden Waldrändern hier und in einem halben Tagesritt Entfernung lagen leere Felder, niedergebrannte Bauernhöfe und ein winziger See, mehr ein Tümpel. An einem Bachlauf, der quer durch die Schlucht rauschte, hatten die Reiter und die Pferde getrunken. Die Wassersäcke waren wieder aufgefüllt.
    »Hier warten wir!« entschied Meystral und drängte sein Reittier seitlich durch die Büsche.
    »Du kennst das Land sehr gut. Bist du hier zu Hause gewesen?« fragte Mythor.
    Der Anführer spuckte aus und knurrte: »Ich bin jahrelang für unsere Fürsten als Bote geritten. Ich kenne jeden größeren Baum.«
    »Und du bist sicher, dass Herzog Krude diese Schlucht passiert?«
    »Wie du gesehen hast, Frau, ist es der gerade Weg zu unserem Lager.«
    Der Tag ähnelte vielen anderen. Trügerische Wärme, leichter Wind, treibende Wolken und stechende Sonnenstrahlen. An einigen Sträuchern zeigten sich die ersten Knospen. Das Gras bekam eine Farbe, die nicht die des Frühlings war. Die Pferde waren schneller erschöpft, und die Menschen litten unter der unzeitgemäßen Wärme. In aller Ruhe suchten die Kundschafter ein Versteck, und ein Mann kletterte auf einen Felsen und von dort auf die starken Äste eines knarrenden Baumes.
    »Kannst du etwas sehen?« rief der Anführer hinauf.
    »Ich überblicke die Felder bis zum Wald.«
    Wieder wagten sie nicht, ein Feuer anzufachen. Ruhig fraßen die Pferde aus den umgehängten Beuteln. Die sieben Späher warteten und suchten immer wieder die Gegend nach einem einzelnen Reiter ab oder nach einer kleinen Gruppe, denn der Bote hatte berichtet, Krude habe einige Begleiter.
    Irgendwann fragte Buruna ungeduldig: »Woher wissen wir, dass Krude heute diese Stelle passieren wird?«
    »Wir wissen es nicht. Aber es sollte bald sein«, antwortete Meystral. »Kommt er nicht bei Anbruch der Nacht, kommt er später. Er wird sich ebenso vor den Caer verstecken müssen.«
    »Also warten wir weiter!« meinte Gapolo und breitete die Satteldecke auf einem Lager von trockenem Laub aus. »Weckt mich, wenn die Caer angreifen.«
    Einige Atemzüge später ertönte aus der Ferne Hufgetrappel, das rasch näher kam. Die Köpfe der Kundschafter schoben sich aus der Deckung. Eine Gruppe Caer ritt in schärfstem Galopp in südliche Richtung und verschwand an einer Stelle, die nicht einzusehen war. Die Unruhe griff wieder nach den wartenden Kundschaftern. Jeder von ihnen war Gefahr gewohnt, aber hier ging es um weitaus mehr.
    Herzog Krude, das wusste Mythor aus eigener Erfahrung, ein mürrischer Mann von mehr als sechzig Sommern, galt unter seinen Leuten als fähiger und entschlossener Anführer. Beliebt war er nicht, aber geachtet und von seinen Vasallen geschätzt. Seine Sorgen waren ihre Sorgen und Ängste.
    Die Nacht kam. Wieder wechselten Schatten mit Mondlicht. Das narbige Antlitz des bleichen Gestirns war abermals angewachsen. Der Mann kletterte aus seinem Ausguck herunter. Gapolo wachte auf und fing an, Sättel, Gurte und Zaumzeug zu überprüfen. Der Wind zwischen den

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