Im Niemandsland
Gesichtszüge. Herzog Krude war von einem Dämon besessen.
»Nein«, stieß Mythor hervor und hielt Gapolo auf, der an ihm vorbei wollte. Im selben Moment sah auch Gapolo das Gesicht des Herzogs und schrie leise vor Schreck auf. Dann verschwand der Mond hinter Wolken, und die eindringliche Schwärze des Hohlwegs nahm den rasend schnell reitenden Herzog auf.
»Haben wir geträumt, Mythor?« fragte der Salamiter tonlos und schüttelte sich.
Mythors Gedanken waren bei Ritter Coerl O'Marn, der das Schicksal Krudes teilte. Der Sohn des Kometen schüttelte langsam den Kopf und entgegnete: »Wir haben nicht geträumt, mein Freund. Herzog Krude, der Anführer der fünftausend Rebellen, ist von einem Dämon besessen.«
»Ein teuflischer Plan von Drudin«, knurrte Gapolo niedergeschlagen. »Das also ist der Grund, warum es hiervon Caer-Patrouillen wimmelt.«
»Herzog Krude wird erst im letzten Moment in Erscheinung treten, also kurz vor der Schlacht«, sagte Mythor.
»Das Entsetzen wird die Rebellen packen«, sagte Buruna. »Sie werden kopflos durcheinanderrennen, wenn sie Krude sehen. So werden die Kämpfer der Lichtwelt leichte Gegner für die Caer sein.«
»Genauso ist es«, antwortete Mythor. »Und, Kundschafter oder nicht, wir haben eine neue Aufgabe.«
»Zurück ins Lager von Cannon Boll?« fragte Lamir.
»Wir müssen die Rebellen warnen und dafür sorgen, dass es jedermann erfährt. Sie werden es uns wieder nicht glauben«, Mythor hob die Schultern und sah nach dem Mondlicht, »aber wir werden sie diesmal überzeugen müssen. Wenn die Wahrheit sie unvorbereitet trifft, sinkt ihr Mut.«
»Du hast recht, Mythor«, gab Buruna zu. »Reiten wir jetzt?«
»Keiner von uns wird schlafen können. Die Pferde sind ausgeruht. Die Dunkelheit wird uns vor den Caer-Truppen, verbergen«, sagte Gapolo fast ein wenig mutlos. »Für dieses Land brauchten wir geflügelte Pferde oder fliegende Drachen.«
»Für dieses Land brauchen wir die Kraft von vielen Männern und den Mut eines Verrückten«, bestätigte Mythor. »Eines weiß ich: Der Weg nach Osten zurück wird schwer sein. Wir wissen, dass es von Caer wimmelt.«
»Wir versuchen es!«
Langsam ritten sie in die Schlucht hinein, alle Sinne angespannt, die Waffen in den Händen. Ohne einen Zwischenfall gelangten sie in dieser Nacht durch die Schlucht, über das zerrissene Gelände und durch den Hohlweg. Im Morgengrauen versperrten ihnen berittene Caer und ein kleines, lagerndes Heer den Weg nach Osten. Sie wichen nach Süden aus und verbargen sich die Hälfte des Tages in einem kleinen Wald.
*
Zweieinhalb Tage lang ritten sie im Zickzack weiter. Immer wieder versuchten sie, einen Weg nach Osten zu finden. Zwar hatten sie keinen Geländekundigen mehr, aber sie erinnerten sich an die Merkmale des Landes, das sie bisher passiert hatten. Von den Rebellen fehlte jede Spur.
Immer wieder stießen sie auf Caer und verbargen sich. Sie wurden nicht gesehen und hatten sehr viel Glück. Und gegen Mittag des letzten Tages, ohne dass die vier Kundschafter auf einen Bewohner dieses verödeten Landes gestoßen wären, breitete sich vor ihnen die typische Uferlandschaft aus.
Der Salamiter zügelte sein Pferd, wies geradeaus und sagte: »Ein breiter Fluss. Es ist die Lorana, Freunde.«
»Dann finden wir wenigstens ohne Mühe zurück zu der Arche des Mautners und zu meinen Tieren«, entgegnete Mythor, der nun einzusehen begann, dass sie den Auftrag von Graf Corian schwerlich erledigen konnten. »Reiten wir also geradeaus weiter. Nicht nur wir brauchen Ruhe, auch die Pferde. Weiter, Freunde!«
Voller Erstaunen stellten sie fest, dass bis zum dürftigen Uferwald der Lorana kein einziger Caer zu sehen war. Aber als sie auf dem oberen Ende des Hanges anhielten und auf das ruhig dahinströmende Wasser hinuntersahen, entdeckten sie Vorgänge, die sie zunächst nicht verstanden.
Dann aber wurde ihnen bewusst, dass sich wahrhaft unglaubliche Dinge abspielten.
Am nördlichen Ufer der Lorana war nicht zu erkennen, ob der Ozean zwischen Tainnia, der Insel, und dem Festland zwischen Elvinon und Akinlay Ebbe oder Flut zeigte. Aber es schien tatsächlich Flut zu sein, die das Wasser weit die Lorana hinauftrieb und den Fluss halbwegs staute. Unter dem Einfluss des Ozeanwassers und eines nicht ungünstigen Windes schoben sich Schiffe den Flusslauf aufwärts.
Nach einem tiefem Atemzug und einer Pause, in der seine verblüfften Gedanken wild durcheinanderwirbelten, sagte Mythor rau: »Ich erkenne die
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