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Im Notfall Buch aufschlagen: Tipps für alle möglichen Katastrophen (German Edition)

Im Notfall Buch aufschlagen: Tipps für alle möglichen Katastrophen (German Edition)

Titel: Im Notfall Buch aufschlagen: Tipps für alle möglichen Katastrophen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Moorstedt , Jakob Schrenk
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einer Notlandung entscheidet vor allem das überlegte und korrekte Verhalten der einzelnen Passagieren über Leben und Tod: Über 40 Prozent aller Todesfälle bei Flugzeugabstürzen wären vermeidbar gewesen, wenn sich die Betroffenen klüger und souveräner verhalten hätten. Das bedeutet: Die sogenannte «Brace»-Position bei der Notlandung einnehmen (Anlehnen an den Vordersitz), schnell genug nach der Sauerstoffmaske greifen, das Handgepäck bei der Evakuierung zurücklassen und sich vor dem Start niemals die Schuhe ausziehen (manchmal kann einem Stilempfinden auch das Leben retten)!

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    03. Geiselnahme EMOTIONALES KIDNAPPING
    Eine Entführung ist unangenehm. Umso wichtiger ist die richtige Kommunikation mit dem Geiselnehmer.
    Am 15. April 1974 stürmten vier schwer bewaffnete Mitglieder der amerikanischen Stadtguerilla Symbionese Liberation Army (SLA) eine Filiale der Hibernia National Bank in San Francisco. Wie bei einem Rockkonzert rief der Anführer: «Wir sind die SLA!», dann deutete er auf eine Frau, die sich mit Maschinenpistole im Anschlag in der Schalterhalle postiert hatte, und setzte hinzu: «Und das ist Tania Hearst.» Die junge Frau war zu dieser Zeit ein Weltstar wie Liz Taylor oder Janis Joplin, jeder kannte ihr Gesicht von den Titelseiten der Zeitungen und aus den TV-Nachrichten. Die 20-jährige Erbin des Milliardenvermögens von Zeitschriftenmogul William Randolph Hearst, dem der Regisseur Orson Welles mit Citizen Kane ein Denkmal aus Zelluloid gesetzt hat, war zwei Monate zuvor von der SLA aus ihrer Penthouse-Wohnung in Südkalifornien entführt worden. Während der Gefangenschaft wurde Patty vom Opfer zum Mitglied der Gruppe, wandelte sich vom unpolitischen Tiffany-Fan zur militanten, linksradikalen Kämpferin und taufte sich «Tania» – zu Ehren von Tania la Guerrillera, der ostdeutschen Geliebten von Che Guevara.
    Ein ähnlicher Fall ereignete sich ein Jahr zuvor in Stockholm. Zwei Kidnapper hatten am 23. August 1973 eine Bank überfallen, vier Angestellte in ihre Gewalt gebracht und sich mit ihnen im schwer gesicherten Tresorraum verschanzt. Im Laufe der mehrtägigen Geiselnahme zeigte sich, dass die Entführten mit den Entführern mehr und mehr sympathisierten und sich am Ende weigerten, mit der Polizei zusammenzuarbeiten. In einem Telefongespräch mit dem damaligen Ministerpräsidenten Olof Palme sagte eine der Geiseln: «Mich bedrückt, dass die Polizei uns angreifen wird … aber Jan (Anmerkung: einer der beiden Täter) sitzt hier und beschützt uns vor der Polizei.»
    Seit der spektakulären Geiselnahme in Südschweden sprechen Soziologen vom Stockholm-Syndrom, wenn sie versuchen, die verzerrte Wahrnehmung von Kidnapping-Opfern zu verstehen. Sollten Sie eines Tages also entführt werden und feststellen, dass Sie plötzlich positive Gefühle für Ihre Peiniger empfinden, dann zweifeln Sie nicht an Ihrem Verstand. Das Stockholm-Syndrom ist eine nachvollziehbare Reaktion von Entführungsopfern auf den Ausnahmezustand. Um das Syndrom zu bekämpfen, müssen Sie es aber erst verstehen.
    Das kuriose Verhalten von Patty Hearst und den schwedischen Bankangestellten hat durchaus rationale Gründe. Geiselnehmer und Geiseln befinden sich in einer ähnlichen Lage, teilen sich nicht nur den begrenzten Raum und die begrenzten Notrationen, sondern müssen auch darauf hoffen, dass die Lösegeldforderungen möglichst schnell erfüllt werden und die Polizei keinen gewaltsamen Befreiungsversuch startet. Diese paradoxe Verbundenheit wird durch Gespräche und die allgemeine Stresssituation noch verstärkt. Eine der Stockholmer Geiseln, die unter schwerer Platzangst litt, empfand zum Beispiel enorme Dankbarkeit für ihre Kidnapper, als die ihr erlaubten, den Tresorraum an eine Leine gefesselt für wenige Minuten zu verlassen.
    Das Stockholm-Syndrom wirkt wie eine potente Psychodroge, die den Geist verwirrt und den Lauf der Dinge umpolt – aus der Demütigung, wie ein Hund an der Leine gehen zu müssen, wird ein Akt der Gnade.
    Es ist nicht ratsam, aus Angst vor dem Stockholm-Syndrom jegliche Kommunikation mit den Geiselnehmern zu vermeiden. Smalltalk mit den Kidnappern bietet sich aus nachrichtendienstlichen Gründen an, da Sie so eventuell entscheidende Informationen erhalten, die bei einem Fluchtversuch nützlich sein könnten, sowie andere Hinweise, die bei der späteren Ergreifung der Täter helfen könnten. Empfindet der Täter ein wenig Sympathie oder Mitgefühl für die Geisel,

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